Dr. Silke Schmitt Oggier - Med. Leiterin von sante24
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5 Fragen an Dr. Silke Schmitt Oggier - Hilfe, im Kindergarten ist Krätze ausgebrochen!

«Also, erst habe ich das von der Krätze ja nur im weiteren Bekanntenkreis gehört und gedacht, bei uns kann das nicht vorkommen. Aber jetzt ist doch tatsächlich bei uns im Kindergarten Krätze ausgebrochen, obwohl wir eigentlich kein sozial schlecht gestelltes Quartier sind. Wie kann denn das kommen, und was genau ist überhaupt die Krätze? Ich dachte, das gabs nur früher?!» beklagt sich Frau Hugentobler am santé24-Telefon. «Bis jetzt hatte meine kleine Tochter (4) eigentlich keine Anzeichen für Krätze, aber seit gestern und vor allem in der Nacht hat sie sich sehr stark gekratzt, die ganzen Händchen sind gerötet und teilweise geschwollen.» Nachdem die santé24-Gesundheitsberaterin noch Fotos von den Händchen der kleinen Patientin via BENECURA-App angefordert hat, gibt sie Frau Hugentobler ins Ärzte-Team zur Beratung und evtl. Behandlung weiter.


Welche Symptome hat man bei Krätze? 

Vor allem intensiver Juckreiz, oft noch verstärkt in der Nacht durch die Bettwärme, und meist einzelne, erhabene, gerötete Hautveränderungen sind kennzeichnend für die Krätze oder auf medizinisch «Scabies»-Erkrankung. Bevorzugt sind Körperstellen mit dünner Hornschicht und hoher Körpertemperatur wie z.B. Fingerzwischenräume, Handgelenke, Gesäss, Genitalien, Gelenkbeugen, Bauchnabel, Füsse, Fussgelenke und Körperfalten befallen. Bei Babys und Kleinkindern können auch Kopf, Nacken und Hände betroffen sein. Durch das Kratzen an den juckenden Stellen oder das Aufkratzen der Haut können auch Krusten entstehen und sich sekundär Infektionen bilden. Auch nicht befallene Körperstellen können im Verlauf allergische Hautreaktionen – Rötungen und Schwellungen bzw. Quaddeln – ohne die oben beschriebenen einzelnen Hautveränderungen zeigen. 

Was verursacht Krätze?

Krätze wird durch eine Ansteckung mit einer menschenspezifischen Milbenart, der Krätzmilbe, verursacht. In weiten Teilen der tropischen Klimazonen sind bis zu 15 Prozent der Bevölkerung von Scabies betroffen. Die Milben bohren sich unter die Haut und hinterlassen in ihren Gängen Kot und Eier. Bei einer Erstinfektion kommt es nach zwei bis fünf Wochen zu einer Immunreaktion des Körpers gegen diese Milbenprodukte und damit einhergehend zu den stark juckenden Hautreaktionen. Bei einem Zweitbefall treten die Beschwerden aufgrund der schon bestehenden Sensibilisierung innerhalb weniger Tage nach der Ansteckung auf. 

Wie steckt man sich mit Krätze an?

Der direkte Weg der Ansteckung passiert über Hautkontakt, also dort, wo Menschen körperlich eng zusammenkommen. Man geht von fünf- bis zehnminütigen Kontaktzeiten aus, wobei bei hoher Milbendichte auch kürzere Kontakte reichen können. Meist steckt man sich in der eigenen Familie an oder bei Personen, mit denen man das Bett teilt. Über Kontakt mit infizierten Hautschuppen im Bett, an Unterwäsche, auf Handtüchern, Polstermöbeln oder Teppichen können auch indirekte Ansteckungen passieren. Krätzmilben können bei Zimmertemperatur in der Regel bis zu 48 Stunden ausserhalb ihres Wirtes auf abgeschilferten Hautschuppen überleben. 

Kann man Krätze behandeln, und ist man dann nicht mehr ansteckend?

Gegen die Krätze gibt es gezielte rezeptpflichtige Medikamente: für die äusserliche Anwendung auf der Haut in Cremeform und zum Einnehmen in Tablettenform. Momentan ist die Empfehlung für die Behandlung von sonst gesunden Kindern ab 5 Kilogramm Körpergewicht und nicht schwangeren Erwachsenen, eine einmalige, lokale Therapie der Haut mit der Creme durchzuführen und diese mit der systemischen Therapie in Tablettenform zu kombinieren. Die Behandlung sollte nach sieben bis zehn Tagen wiederholt werden, damit man wirklich alle Milbenstadien erwischt. Frühestens 24 Stunden nach Therapiebeginn gilt man als nicht mehr ansteckend. Gegen den Juckreiz können zusätzlich juckreizstillende Medikamente eingesetzt werden. Genauso wichtig wie die Behandlung der betroffenen Person ist die konsequente Mit- bzw. Parallelbehandlung von engen Kontaktpersonen, auch wenn diese überhaupt keine Symptome haben. Darunter fallen alle im selben Haushalt lebenden Personen und alle IntimpartnerInnen der letzten 6 Wochen. Menschen, die nur häufig in der Wohnung von Betroffenen zu Besuch waren, müssen nicht mitbehandelt, aber informiert werden, damit sie bei verdächtigen Symptomen schnell einen Arzt aufsuchen. Neben der medikamentösen Behandlung sind folgende gleichzeitige Umgebungsmassnahmen sehr wichtig: Kleidung, Bettwäsche und Handtücher des betroffenen Patienten müssen bei 60 Grad gewaschen oder für mindestens 4 Tage in verschlossenen Plastiksäcken bei Raumtemperatur gelagert werden.

Gibt es besondere Massnahmen, wenn Krätze im Kindergarten, der Schule oder der Krippe auftritt?

Ja, in Gemeinschaftseinrichtungen wie Krippen, Kindergärten, Schulen, Heimen und anderen Institutionen, in denen eine grössere Zahl von Menschen – Kinder oder Erwachsene – viele Stunden in denselben Räumen verbringt, ist das Weiterverbreitungsrisiko sehr hoch. Deshalb werden bei Verdachts- oder bestätigten Fällen die kantonsärztlichen Dienste hinzugezogen, die für alle geltende Informationen und Therapiemassnahmen kommunizieren. An diese Therapiemassnahmen müssen sich alle Ärztinnen und Ärzte, die solche Institutionen betreuen, halten. Ausserdem legen die Kantonsärztinnen und -ärzte fest, welche Kontaktpersonen mitbehandelt, welche Umgebungsmassnahmen getroffen werden müssen und wie lange Betroffene zu Hause oder isoliert bleiben müssen, damit sie sicher nicht mehr ansteckend sind. Wenn man das nicht so koordiniert, käme es zu ständigen Ping-Pong-Ansteckungen. Bei Krätze dürfen angesteckte Personen frühestens 24 Stunden nach Beginn der Therapie wieder in die Institution zurückkehren. In Krippen gelten verschärftere Massnahmen, dort dürfen betroffene Babys und Kleinkinder erst nach der Wiederholungs-Therapie nach sieben bis zehn Tagen wieder in der Gruppe betreut werden.

 

Die santé24-Ärztin schickt Frau Hugentobler noch per E-Mail das aktuelle Informationsblatt des kantonsärztlichen Dienstes zu, so dass sie alles in Ruhe nochmal nachlesen kann. Auch, dass Krätze nichts mit unhygienischen Lebensverhältnissen zu tun hat und auch schon in der Bibel erwähnt wurde, uns Menschen also schon sehr lange begleitet. Die zweimalige Behandlung mit der Creme und den Tabletten wird die ganze Familie jetzt besser informiert durchführen, damit im Umfeld nicht noch mehr Ansteckungen passieren. Leider müssen sie den Besuch guter Freunde übers Wochenende absagen bzw. verschieben. 

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