Dr. Silke Schmitt Oggier - Med.Leiterin sante24
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5 Fragen an Dr. Silke Schmitt Oggier - Hilfe, mein Kind hat Neurodermitis-was nun?

Aus der BENECURA-APP wird eine Pädiatrie-Beratung angefordert. Die Pädiatrie-Fachspezialistin von santé24 ist gespannt, was sie erwartet. Diesmal ist es eine Mutter, die


gerade mit ihrer kleinen Tochter Seraina (3 J.) vom Kinderarzt nach Hause gekommen ist mit der Diagnose Neurodermitis. Ines Tanner ist noch ganz aufgewühlt und konnte beim Kinderarzt gar nicht richtig zuhören, was er ihr zu den verschiedenen Salben und Pflegemitteln alles erklärt hat. «Ich bin ja froh, dass es nichts noch Schlimmeres ist. Mir war klar, dass das nicht normal sein kann, dass man sich nachts blutig kratzt, aber man hofft halt doch immer, dass es nichts ist», seufzt Ines Tanner.

 

Wie sind die Symptome bei Neurodermitis?
Typisch sind zum einen eine trockene, sehr empfindliche Haut, zum anderen verschiedene, zum Teil wechselnde Symptome wie Rötung, Juckreiz, nässende oder sogar blutende Stellen mit oder ohne Krüstchen, schuppende Haut und Stellen ohne akute Erscheinungen, die aber ein vergröbertes Hautrelief aufweisen. Im Säuglingsalter sind vor allem Gesicht und Kopfhaut, Oberkörper, Hände und die Streckseiten der Beine und/oder Arme betroffen. Bei Kleinkindern sind die sichtbaren Hautveränderungen meist in den Kniekehlen und Ellenbeugen, im Gesicht, am Hals und im Nacken. Bei Schulkindern, Jugendliche und Erwachsenen können noch Hand- und Fussekzeme dazukommen. Bei 85 Prozent der betroffenen Kinder treten Symptome in den ersten fünf Lebensjahren auf.

Ist Neurodermitis eine Allergie?
Nein, Neurodermitis oder auch atopische Dermatitis genannt, ist keine eigentliche Allergie, sondern eine Störung der Hautbarriere. Durch einen Mangel oder eine Fehlfunktion von wichtigen Stoffen wie Eiweisse oder Fette, die für die Schutzschicht der äusseren Haut gebraucht werden, wird die Hautbarriere durchlässiger. Dadurch kommt es zu einem vermehrten Verlust von Wasser, was die Haut trockener und anfälliger macht. Allergene und andere Umweltstoffe können dadurch leichter in die Haut eindringen. Alles zusammen führt zu vermehrten Entzündungsreaktionen. Im Winter sind diese wegen der trockenen Luft in den Innenräumen, aber auch draussen, und wegen Reizungen durch unsere Kleidung meist ausgeprägter als im Sommer, wenn die Haut am ganzen Körper mehr an der frischen Luft sein kann oder weniger Kleider lockerer am Körper sitzen. Oft findet man eine Veranlagung für empfindliche Haut oder auch für Allergien in der Familie.

Wie behandelt man Neurodermitis?
Die wichtigste Behandlung ist die tägliche Basis-Haut-Pflege, um die empfindliche Haut sanft zu reinigen und ihre Barrierefunktion möglichst zu unterstützen bzw. wiederaufzubauen. So kann man Infektionen vorbeugen und das Eindringen von reizenden oder schädlichen Stoffen so gut wie möglich verhindern. Welche Pflegepräparate individuell am besten wirken und vertragen werden, muss man ausprobieren und ist saisonal unterschiedlich. Im Winter bei kalter und trockener Luft empfiehlt man, eher fetthaltige Produkte zu benutzen, während man im Sommer oder in heiss-feuchten Klimazonen Produkte mit geringem Fett- dafür höherem Feuchtigkeitsanteil bevorzugt. Trotz guter Pflege leiden manche Kinder und Erwachsene unter Juckreiz, den sie durch Kratzen zu lindern versuchen. Primär verschafft das auch Linderung, verändert aber das Hautbild nachhaltig. Hilfreich können sein: kühlen, hautfreundliche und atmungsaktive Textilien, Umschläge und Verbände mit Schwarztee, Kochsalz oder Salben..

Was ist medizinisch oder in der Therapie sonst noch zu beachten?
Wenn sich der Hautzustand trotz der täglichen Basis-Pflege plötzlich verschlechtert, was z.B. durch Stress, Reizstoffe oder auch unbekannte Auslöser passieren kann, dann wird in der Regel eine zusätzliche antientzündliche Therapie notwendig. Die gute Nachricht der Therapie ist, dass die oft kortisonhaltigen oder anderen antientzündlichen Präparate nicht eingenommen, sondern «nur» äusserlich angewendet werden müssen und dies in möglichst geringer Dosierung. Es gilt, den schmalen Pfad zwischen «so wenig wie möglich, so viel wie nötig» zu finden. Mit der Zeit werden Eltern und Kinder Experten der Auslösefaktoren und können viele aktiv vermeiden. Zusätzlich werden sie zu Profis in der Therapie, so dass sie zum richtigen Zeitpunkt die richtigen Präparate einsetzen. Um Kindern mit Neurodermitis eine Infektion mit wilden Blattern (Varizellen) zu ersparen, die auf Neurodermitis-Haut häufig sehr schwer verläuft, sollen sie schon im Kleinkindalter und nicht erst wie sonst empfohlen im jugendlichen Alter dagegen geimpft werden.

Wo kann ich noch mehr erfahren oder andere Eltern kennenlernen, die dasselbe Problem haben?
Der Austausch mit anderen Betroffenen und Schulungen über Neurodermitis und ihre Behandlungsmöglichkeiten helfen Eltern und Kindern sehr, möglichst gut mit der Krankheit umzugehen und sich im alltäglichen Leben wenig davon stören zu lassen. Über die Fachstelle «aha! Allergiezentrum Schweiz» werden sowohl Broschüren und Kurse, als auch Austauschplattformen und sogar Ferienlager angeboten und organisiert.

Nach dem Gespräch mit der santé24-Pädiatrie-Fachspezialistin ist Ines Tanner schon viel beruhigter und der «Berg Neurodermitis» kommt ihr nicht mehr so hoch vor. Vor allem, dass sie selber sehr viel dazu beitragen kann, dass es Seraina und ihrer Haut gut geht, beruhigt sie und gibt ihr ein viel besseres Gefühl. Auch die Pflegeprodukte kann sie nun einordnen und weiss, was sie wann ausprobieren kann oder soll. Von den angebotenen Kursen für Eltern schreibt sie sich gleich einen raus, um den Termin mit ihrem Mann zu besprechen – so können sie das Ganze zusammen meistern!

 

Dr. med. Silke Schmitt Oggier ist die Medizinische Leiterin von santé24 und selber Fachärztin für Kinder und Jugendliche. Die telemedizinische Beratung ist eine zentrale Dienstleistung von santé24, die den SWICA-Versicherten bei allen Fragen rund um die Gesundheit unter der Nummer 044 404 86 86 kostenlos zur Verfügung steht. Eine Praxisbewilligung für Telemedizin ermöglicht es den Ärzten von santé24 zudem, bei telemedizinisch geeigneten Krankheitsbildern weiterführende ärztliche Leistungen zu erbringen. Mit der medizinischen App BENECURA können SWICA-Versicherte ausserdem bei Krankheitssymptomen einen digitalen SymptomCheck machen und erhalten Empfehlungen fürs weitere Vorgehen. Bei einem anschliessenden Telefonat mit santé24 entscheidet der Kunde im Einzelfall selber, ob er die im SymptomCheck gemachten Angaben santé24 freigeben möchte.

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