Thomas Marti (43) lacht am Sonntagnachmittag am santé24-Telefon und erklärt: «Wissen Sie, wir haben drei ziemlich wilde Buben, 7, 10 und 12 Jahre alt. Ständig kommen sie mit irgendwelchen kleineren oder grösseren Schnittwunden nach Hause.
Jeder sagt dann etwas anderes, was man jetzt dringend tun oder nicht tun müsse. Wenn wir immer gleich zum Arzt oder in den Notfall rennen würden, könnten wir dort ein Abo lösen und so langsam unsere Möbel mitbringen. Gibt es nicht ein paar einfache Tipps, wie man bei solchen Wunden selber besser beurteilen kann, wann es wirklich einen Arztbesuch braucht? Jetzt gerade ist unser 7-jähriger mit einer Schnittverletzung am Finger vom Spielen draussen nach Hause gekommen ...»
Wann und wie kann man eine Schnittwunde bei Kindern selbst versorgen?
Kleine Schnittwunden, die nicht tief ins Muskelfleisch gehen, kann man unter bestimmten Umständen selbst versorgen: wenn die Wunde nicht verschmutzt ist, die Wundränder glatt sind und sich gut wieder aneinanderlegen, die Blutung nach kurzer Zeit von selber aufhört und keinerlei Funktionseinschränkung bei Gefühl, aktiver Beweglichkeit und Durchblutung/Hautfarbe vorliegt. Es gibt allerdings Körperregionen, bei denen man aus medizinischen oder kosmetischen Gründen trotzdem zu einer ärztlichen Beurteilung rät. Im Gesicht, im Genitalbereich oder über Gelenken, wo die Wunde immer wieder gedehnt und aufgerissen würde, wenn man das Gelenk nicht ruhigstellt, sind evtl. ärztliche Massnahmen erforderlich, um die Heilung oder die Ästhetik nicht zu gefährden. Auch an Händen und Füssen sollte man eher vorsichtig sein, da dort auf kleinstem Raum viele Blutgefässe, Sehnen und Nerven sehr oberflächlich verlaufen und schnell einmal durchtrennt werden können. Gesäubert, desinfiziert und anfänglich mit einem Pflaster abgedeckt, sollte eine kleine Schnittwunde in wenigen Tagen bis längstens zwei Wochen zugeheilt und nahezu nicht mehr sichtbar sein.
Welche Schnittwunden sollte man besser einem Arzt zeigen?
Neben Schnittwunden im Gesicht, Genitalbereich und über Gelenken müssen auch Schnitte mit unsauberen «Verursachern», z.B. mit Gartenscheren, Scherben, im Freien oder mit auseinanderklaffenden oder ausgefransten Wundrändern medizinisch korrekt gereinigt und versorgt werden. Wenn die Schnittwunde Teil einer grösseren Riss-Quetsch-Wunde ist, kann häufig die Durchblutung aufgrund des grösseren umliegenden Gewebeschadens und der Schwellung reduziert sein. Dies birgt die Gefahr, dass Keime, die in die Wunde gelangen, nicht schnell genug von den Immunzellen im Blut attackiert und abtransportiert werden können, was die Infektionsgefahr stark erhöht. An Händen und Füssen muss jeder Verdacht auf einen Funktionsverlust, und sei es nur ein unklarer Beuge- oder Streckverlust eines Finger- oder Zehenendglieds, ärztlich untersucht werden. Auch Schnitte durch Finger- oder Zehennägel oder Wunden, in denen sich noch Fremdkörper befinden, benötigen eine fachmännische Beurteilung und Versorgung.
Wieso kann man eine Wunde nur in den ersten sechs Stunden nähen?
Das Nähen oder Kleben einer Wunde, wenn z.B. die Wundränder auseinanderklaffen oder ein ästhetisch schönes Resultat wichtig ist, sollte tatsächlich immer innerhalb der ersten sechs Stunden nach der Verletzung passieren, da sonst trotz Desinfektion zu viele Keime in die Wunde gelangen. Würde man sie dann zunähen oder auf andere Art verschliessen, könnten die Keime sich darunter bestens und erst einmal unbemerkt ausbreiten und zu schweren Infektionen bis hin zur Blutvergiftung führen. Ist die Schnittwunde schon älter als sechs Stunden, muss man sie offen zuheilen lassen, das heisst, ohne dass man sie künstlich verschliesst. Die Heilung passiert dann von innen nach aussen, dauert in der Regel länger und kann mit einer grösseren und weniger schönen Narbenbildung einhergehen.
Gibt es eine Faustregel für den Tetanusschutz im Kindesalter?
Ja, die gibt es: Wenn die Tetanus-Grundimmunisierung mit mindestens drei Impfungen durchgeführt wurde, braucht es bei Kindern und jungen Erwachsenen bis 25 Jahren bei oberflächlichen, sauberen Verletzungen nur dann eine Auffrischimpfung, wenn die letzte Impfung länger als zehn Jahre zurückliegt. Bei tieferen, grösseren oder verschmutzen Wunden ist eine Auffrischung schon nach fünf Jahren notwendig. Wichtig ist, dass man das Impfbüchlein mitnimmt, wenn man die Wunde ärztlich versorgen lassen muss. Ohne Impfbüchlein wird in jedem Fall eine Auffrischimpfung durchgeführt, da eine nicht-notwendige Impfung nicht schadet, keine Impfung im Falle einer Tetanusinfektion aber schlimme Folgen haben kann.
Wie bemerkt man, dass eine Wunde sich entzündet?
Zeichen einer Entzündung sind eigentlich immer zunehmende Rötungen, Schwellungen, Schmerzen und Funktionseinschränkungen. Bei offenen Wunden kann diese zusätzlich nässen oder eitern. Auch geschwollene, bei Druck schmerzhafte Lymphknoten in der Abflussregion der Verletzung, z.B. unter der Achsel bei Verletzungen an Fingern oder Armen oder in der Leiste, wenn Zehen, Füsse, Knie oder Beine betroffen sind, können auf eine Entzündung aufmerksam machen.
Bei Thomas Martis 7-jährigem Sohn konnte die santé24-Ärztin aufgrund der über die BENECURA-App sicher übermittelten Fotos der verletzten Fingerbeere und aufgrund der vollen Funktionsfähigkeit– trotz anfänglich starker Blutung – eine kleine, oberflächliche Schnittwunde diagnostizieren. Da auch der Tetanus-Impfschutz gewährleistet war, konnte die Wunde guten Gewissens häuslich versorgt werde, so dass die Familie den Sonntagabend nicht auf der Notfallstation verbringen musste und ähnliche Situationen auch künftig besser einschätzen kann.
Dr. med. Silke Schmitt Oggier ist die Medizinische Leiterin von santé24 und selber Fachärztin für Kinder und Jugendliche. Die telemedizinische Beratung ist eine zentrale Dienstleistung von santé24, die den SWICA-Versicherten bei allen Fragen rund um die Gesundheit unter der Nummer 044 404 86 86 kostenlos zur Verfügung steht. Eine Praxisbewilligung für Telemedizin ermöglicht es den Ärzten von santé24 zudem, bei telemedizinisch geeigneten Krankheitsbildern weiterführende ärztliche Leistungen zu erbringen. Mit der medizinischen App BENECURA können SWICA-Versicherte ausserdem bei Krankheitssymptomen einen digitalen SymptomCheck machen und erhalten Empfehlungen fürs weitere Vorgehen. Bei einem anschliessenden Telefonat mit santé24 entscheidet der Kunde im Einzelfall selber, ob er die im SymptomCheck gemachten Angaben santé24 freigeben möchte.
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