Dr. Silke Schmitt Oggier - Med.Leiterin sante24
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5 Fragen an Dr. Silke Schmitt Oggier - Notfall Bienenstich bei junger Mutter

Der Anruf wird als Notfall direkt von der Gesundheitsberaterin an die Ärztin weitergeleitet. Am Telefon ist Larina Kummer, eine junge Mutter mit einem zwei Wochen alten Baby, die bekannte Bienengiftallergikerin ist.


Für den Fall eines Bienenstichs hat sie ein übliches Notfallset mit drei verschiedenen Medikamenten: ein Antiallergikum, ein Kortisonpräparat zum Einnehmen und ein Medikament zum unter die Haut (in einen Muskel) spritzen in einem sogenannten Pen. «Ich bin vor ein paar Minuten in der Badi auf eine Biene getreten und der Fuss schwillt nun stark an. Das Notfallset-Medikamente habe dabei, möchte es aber nicht benutzen, da ich stille», erklärt Larina Kummer am Telefon.

 

Was kann bei einer Bienengiftallergie passieren?
Im schlimmsten Fall kann es zu einem allergischen Schock und sogar zum Tod kommen. Deshalb bekommen bekannte Bienengiftallergiker ein Notfallset wie oben beschrieben, das sie immer bei sich haben sollten. Man kann nicht vorhersagen, wie schlimm die Allergie beim nächsten Mal sein wird. Auch, wenn es bisher nur zu starken lokalen Symptomen wie Schwellungen und Schmerzen kam, kann bei einem weiteren Stich plötzlich das ganze Herz-/Kreislauf- und Atmungssystem betroffen sein. In der Regel läuft so eine allergische Reaktion sehr schnell, also innerhalb Minuten ab, sie kann aber auch noch um Stunden verzögert plötzlich auftreten.

Für was sind die Notfallmedikamente gut?
Die Notfallmedikamente aus dem Notfallset sind als erste Hilfe gedacht, um die allergische Reaktion abzumildern und um den Kreislauf zu stabilisieren. Das Anitallergikum, auch bekannt z.B. bei Heuschnupfen, unterdrückt die körpereigenen Allergie-Botenstoffe. Kortison hat eine starke antiallergische Wirkung, der Wirkeintritt ist etwas später, dafür hält er für mehrere Stunden gut an. Zusätzlich beinhaltet das Notfallset einen Adrenalin-Pen. Adrenalin ist ein sehr potentes körpereigenes Stresshormon, das das Herz-/Kreislaufsystem unterstützt. In die Anwendung des Adrenalin-Pen muss man eingewiesen werden, da man sich den Wirkstoff (auch durch Kleidung hindurch) z.B. in den Oberschenkel applizieren muss. Dies vor allem, wenn man merkt, dass die allergische Reaktion auf den ganzen Körper übergeht, in dem es einem z.B. schwindlig wird, man Atemnot, Übelkeit, Erbrechen, Durchfall oder andere Allgemeinsymptome bekommt.

Ersetzen die Notfallmedikamente den Arztbesuch?
Nein, die Notfallmedikamente helfen nur die Zeit zu überbrücken, bis man in notfallmässiger Betreuung ist. Man sollte also noch vor oder sofort nach Einnahme und Applikation der Medikamente den Notdienst (144) benachrichtigen oder, wenn sehr nahe, eine Notfallstation oder Permanence-Praxis aufsuchen. Denn: die allergische Reaktion geht weiter und sobald die Wirkung der Medikamente nachlässt, steigt das Risiko eines Kreislaufzusammenbruchs wieder an.  

Dürfen Stillende gewisse Medikamente nicht nehmen?
Bei Stillenden und Schwangeren muss man immer nicht nur für die Patientin, sondern auch für das Kind mitdenken. Viele Medikamente gehen in die Muttermilch über und würden so in evtl. viel zu hohen Konzentrationen auch auf das gestillte Baby wirken. Braucht die Mutter die Medikamente aber unbedingt, muss man evtl. ein oder mehrere Portionen Milch abpumpen und entsorgen und das Baby kurzfristig mit anderer Säuglingsnahrung füttern, bis es die Muttermilch wieder trinken darf – auch das stellt normalerweise kein Problem für das Baby dar. Bei den meisten Medikamenten steht im Beipackzettel, dass man sie in Schwangerschaft und Stillzeit nicht anwenden darf. Dies ist aber auch eine juristische Vorsichtsmassnahme der Pharmafirmen, weil es oft keine grösseren Studien zu Medikamenten bei Schwangeren und Stillenden gibt. Trotzdem gibt es Erfahrungswerte zu einigen Medikamenten, die von Fachgremien zusammengestellt und zur Verfügung gestellt werden. Ein solches Fachgremium ist die Schweizerische Arbeitsgemeinschaft für perinatologische Pharmakologie am Unispital Zürich (SAPP), bei der santé24 Mitglied ist und an deren Empfehlungen sich die santé24-Ärzte halten (https://www.sappinfo.ch/fuer-patientinnen/ ). Ansonsten findet man auch Informationen auf der deutschen hompage www.embryotox.de.

Können Stillende das Notfallset bei einem Bienenstich verwenden?
Die notfallmässige Anwendung des im Notfallset vorhandenen Antiallergikums und auch des Kortisons sind unbedenklich auch für Stillende bzw. für das zu stillende Baby. Für Adrenalin gibt es keine gesicherten Informationen, man kann aber davon ausgehen, dass Adrenalin, das sehr schnell vom Körper abgebaut wird, selbst wenn es in die Muttermilch übergehen würde, keine für das Baby gefährlichen Konzentrationen erreicht. Trotzdem ist man vorsichtig und empfiehlt die Anwendung des Adrenalin-Pen bei Stillenden nur, wenn Allgemeinsymptome auftreten. Allerdings ist ein allergischer Schock so lebensbedrohlich, dass man sich im Zweifelsfall immer für die Medikamente entscheiden muss, auch wenn sie im Nachhinein vielleicht nicht unbedingt notwendig gewesen wären.

Larina Kummer kann von der santé24-Ärztin davon überzeugt werden, ihre Notfallmedikamente sofort anzuwenden. Da sie bisher keine Allgemeinsymptome entwickelt hat, wartet man mit dem Adrenalin-Pen noch zu. Die Ärztin bleibt mit Larina Kummer am Telefon bis die Ambulanz eintrifft und sie und ihr Baby zur Überwachung ins Spital mitnimmt.

 

Dr. med. Silke Schmitt Oggier ist die Medizinische Leiterin von santé24 und selber Fachärztin für Kinder und Jugendliche. Die telemedizinische Beratung ist eine zentrale Dienstleistung von santé24, die den SWICA-Versicherten bei allen Fragen rund um die Gesundheit unter der Nummer 044 404 86 86 kostenlos zur Verfügung steht. Eine Praxisbewilligung für Telemedizin ermöglicht es den Ärzten von santé24 zudem, bei telemedizinisch geeigneten Krankheitsbildern weiterführende ärztliche Leistungen zu erbringen. Mit der medizinischen App BENECURA können SWICA-Versicherte ausserdem bei Krankheitssymptomen einen digitalen SymptomCheck machen und erhalten Empfehlungen fürs weitere Vorgehen. Bei einem anschliessenden Telefonat mit santé24 entscheidet der Kunde im Einzelfall selber, ob er die im SymptomCheck gemachten Angaben santé24 freigeben möchte.

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