Dr. Silke Schmitt Oggier - Med. Leiterin von sante24
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5 Fragen an Dr. Silke Schmitt Oggier - Unser Sohn (7) macht nachts noch ins Bett!?


Zuhause ist das ja nicht ganz so schlimm, aber so kann er nie zu seinen Freunden zum Übernachten gehen und uns fallen langsam schon keine Ausreden mehr ein», berichtet Sabine Wyss am santé24-Telefon der Gesundheitsberaterin. «Bisher haben wir immer gedacht, dass sich das schon auswächst, aber jetzt müssen wir etwas unternehmen. Was sollen wir tun und was für Untersuchungen kämen auf unseren Tobias zu?». Die zugezogene santé24-Ärztin motiviert Sabine Wyss, sich in einer kinderurologischen Sprechstunde anzumelden, da Tobias keinen Kinderarzt hat.


Gibt es verschiedene Arten von Bettnässen?

Ja, es gibt tatsächlich Unterschiede, die auch sehr wichtig fürs weitere Vorgehen sind. Wenn das Kind schon mal ganz trocken war und dann plötzlich wieder beginnt, einzunässen, muss man unbedingt eine akute körperliche und physische Ursache ausschliessen. Eine mögliche körperliche Ursache wäre z.B. ein kindlicher Diabetes. Ein möglicher psychischer Grund wäre, wenn das Kind eine starke seelische Traumatisierung erlebt hat, z.B. den Verlust eines Elternteils oder Geschwisters oder wenn das Kind gemobbt wird. War das Kind noch nie trocken, spricht man von primärem Einnässen, was eine akute Ursache eher unwahrscheinlich macht.  


Wie viele Kinder sind davon betroffen und welche Kinder?

Grundsätzlich gilt primäres Bettnässen bis zu einem Alter von vier bis fünf  Jahren immer noch als normal. Mit fünf Jahren können noch zehn bis 15 Prozent der Kinder ihre Blasenfunktion nicht immer kontrollieren. Darunter sind deutlich mehr Knaben als Mädchen. Im Alter von zehn Jahren sind es immer noch fünf Prozent der Kinder und als Jugendliche immerhin noch ein bis drei Prozent. Pro Jahr kommt es zu zehn bis 20 Prozent Spontan-Heilungen, das heisst, das Problem wächst sich aus, ohne dass etwas dagegen unternommen wurde. Falls ein Elternteil in der Kindheit auch betroffen war, beträgt das Risiko für dessen Kinder ca. 40 Prozent, waren sogar beide Elternteile betroffen, leiden die Nachkommen zu 75 Prozent auch am Bettnässen. Es gibt für das primäre Einnässen also eine starke genetische Komponente.


Was für Abklärungen muss man bei Bettnässen machen?

Wichtig ist die Vorgeschichte: gab es bereits Harnwegsinfektionen, was wurde alles schon unternommen und war jemand aus der Familie als Kind auch betroffen? Relevant ist auch der momentane Gesundheitszustand: ist das Kind normal leistungsfähig und guter Dinge, wie viel und wann trinkt es und wie oft geht es tagsüber auf die Toilette, passiert das Einnässen nur nachts, ist das Kind zusätzlich auch verstopft, schnarcht es oder gibt es evtl.  Anzeichen für ein AD(H)S (Aufmerksamkeitsdefizit/Hyperaktivitätsstörung)? Bei der körperlichen Untersuchung werden die Genitalien, die Mündung der Harnröhre, der Mastdarmausgang, die Wirbelsäule sowie die Nerven und Reflexe angeschaut. Im Labor wird zudem im Urin untersucht, ob keine Infektion vorliegt und ob der Urin konzentriert genug ist. Weitere Untersuchungen wie z.B. Ultraschalluntersuchungen der Nieren und der Blase oder Messungen der Urinausscheidungsgeschwindigkeit sind in der Regel nur auch bei Einnässen tagsüber notwendig.


Wo liegt der Grund fürs Bettnässen?

Die Ursache für primäres Bettnässen ist eine komplexe Reifungsverzögerung verschiedener an der Blasenkontrolle und dem Wasserlösen involvierten Strukturen im Gehirn und an der Blase trotz normaler Anatomie. Die verzögerte Entwicklung betrifft die Steuerung der Blase und der Blasenentleerung im Gehirn, die nächtliche Blasenkapazität und die Weckbarkeit aufgrund einer vollen Blase. Dazu kommt häufig ein hohes nächtliches Urinvolumen.


Gibt es Therapien gegen Bettnässen?

Wenn bei der körperlichen Untersuchung alles unauffällig war, gibt es prinzipiell zwei Therapie-Ansätze, die man ausprobieren kann. Um nachhaltigen Erfolg zu haben, muss man die Therapie bei beiden Ansätzen mehrere Monate durchziehen. Das eine ist eine Konditionierung oder ein Training mit einem akustischen oder vibrierenden Signal, das losgeht, sobald die ersten Urintröpfchen auf die in das Pyjama eingenähte Einlage gelangen.  Das Kind wacht auf, meistens die Eltern auch, und entleert den Rest der Blase ins WC. So kann man das Gehirn trainieren, aufzuwachen, wenn die Blase voll ist und entleert werden muss. Eine andere Möglichkeit ist die Einnahme eines Medikaments, das die Wasserausscheidung aus dem Körper hemmt. Eine Tablette vor dem Schlafengehen reduziert die Ausscheidung bis zum Morgen stark. Bei dieser Therapie darf nach Einnahme der Tablette nichts mehr getrunken werden, weil wichtige Blutbestandteile sonst durch das nicht ausgeschiedene Wasser im Körper zu stark verdünnt werden könnten.  Diese Therapie kann auch nur an einzelnen Tage oder Wochenenden erfolgen. Es ist ratsam, deren Wirksamkeit schon mal ausprobiert zu haben, bevor man an einem fremden Ort übernachtet. Beide Therapien haben ihre Vor- und Nachteile und müssen mit den Eltern und dem Kind besprochen werden.

Sabine Wyss ist nach der Beratung beruhigt und optimistisch, dass eine der Therapien ihrem Sohn helfen könnte. Die Möglichkeit mit dem Weckapparat gefällt ihr besser. Wenn aber Tobias schon in Kürze irgendwo übernachten wollte, möchte sie medikamentöse Variante ausprobieren.


Dr. med. Silke Schmitt Oggier ist die Medizinische Leiterin von santé24 und selber Fachärztin für Kinder und Jugendliche. Die telemedizinische Beratung ist eine zentrale Dienstleistung von santé24, die den SWICA-Versicherten bei allen Fragen rund um die Gesundheit unter der Nummer 044 404 86 86 kostenlos zur Verfügung steht. Eine Praxisbewilligung für Telemedizin ermöglicht es den Ärzten von santé24 zudem, bei telemedizinisch geeigneten Krankheitsbildern weiterführende ärztliche Leistungen zu erbringen. Mit der medizinischen App BENECURA können SWICA-Versicherte ausserdem bei Krankheitssymptomen einen digitalen SymptomCheck machen und erhalten Empfehlungen fürs weitere Vorgehen. Bei einem anschliessenden Telefonat mit santé24 entscheidet der Kunde im Einzelfall selber, ob er die im SymptomCheck gemachten Angaben santé24 freigeben möchte.

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