aber der Kinderarzt meinte, ich solle das erst einmal mit meiner Gynäkologin besprechen, welche Vorsichtsmassnahmen wichtig wären, um das Risiko für eine komplette spina bifida (offener Rücken) möglichst zu verringern. Bei meiner Gynäkologin habe ich jetzt erste nächste Woche einen Termin bekommen. Das Ganze macht mich sehr nervös und ich weiss gar nicht, was ich machen soll. Können Sie mir vielleicht schon etwas dazu sagen?» so sprudelt es aus Chantal Zimmerer heraus, als die santé24-Mitarbeiterin das Telefon abnimmt.
Was bedeutet dieser «verborgene» offene Rücken für meine kleine Tochter?
Meistens, wie auch in diesem Fall, ist die Diagnose ein Zufallsbefund, weil wegen irgendetwas anderem ein Röntgenbild angefertigt wird, auf dem man auch die Wirbelsäule sieht. Manchmal entdeckt man dann bei den Betroffenen am unteren Rücken über der Wirbelsäule ein assoziiertes kleines, evtl. leicht behaartes Grübchen in der Haut. Dies kann ein äusserliches Zeichen sein. Die betroffenen Kinder oder auch Erwachsenen haben aber in der Regel keine gesundheitlichen Probleme. Unter den länger bettnässenden Kindern findet man allerdings häufiger eine spina bifida occulta.
Was ist der Unterschied zwischen einem offenen Rücken und einem «verborgenen» offenen Rücken?
Die Spina bifida, wie der offene Rücken in der Fachsprache heisst, ist eine sehr frühe Entwicklungsstörung des Rückenmarkkanals beim ungeborenen Kind. Dadurch kann sich ein Teil des Rückenmarks mit all seinen Nervensträngen nach aussen, also nach Ausserhalb des Körpers, vorwölben und so geschädigt werden. In der Regel macht diese Fehlbildung Probleme mit der Motorik in den Beinen und eine Blasen- und Mastdarmkontrollstörung, selbst wenn man das Rückenmark gleich nach der Geburt operativ wieder in den Rückenmarkskanal zurückverlagert. Die spina bifida occulta ist eine sehr leichte Form desselben Entwicklungsfehlers, allerdings in der Regel ohne irgendwelche gesundheitlichen Auswirkungen.
Kann ich schon vor der Schwangerschaft etwas tun und was?
Man weiss inzwischen, dass ein bestimmtes Vitamin, das sogenannte Folat, Vitamin B9, massgeb-lichen Einfluss auf die gesunde Entwicklung des Rückenmarkskanals hat. Da die Entwicklungsstörung in den ersten Wochen der Schwangerschaft stattfindet, genügt es jedoch nicht, zu warten bis man weiss, dass man schwanger ist, sondern die Folatspeicher im Körper müssen schon vorher möglichst gut aufgefüllt werden. Wann Frauen, die schwanger werden möchten, mit der zusätzlichen Folsäureeinnahme (Folsäure heisst das künstlich hergestellte Vitamin, das der Körper noch besser aufnehmen kann als Folat aus natürlichen Quellen) starten sollen, ist noch nicht ganz klar. In der medizinischen Literatur spricht man von mindestens drei Monaten vor dem Stoppen der Empfängnisverhütung.
Kann ich das Risiko für ein Kind mit spina bifida ganz eliminieren?
Ganz eliminieren kann man das Risiko nicht, es scheint auch noch andere Faktoren zu geben, die die frühe Entwicklung des Rückenmarkkanals beeinflussen. Eine optimale Folsäureversorgung ist jedoch die wichtigste präventive Massnahme, die man selber treffen kann. Damit lässt sich das Risiko um mindestens 70 Prozent reduzieren.
Was, wenn dann doch während der Schwangerschaft eine spina bifida entdeckt wird?
Entdeckt man einen «offenen Rücken» während der Schwangerschaft im Ultraschall, kann man in hochspezialisierten Zentren wie z.B. dem Kinderspital Zürich versuchen, ihn schon während der Schwangerschaft operativ zu behandeln und damit die meisten Folgen zu verhindern. Dieser Eingriff brigt ein gewisses Risiko für eine vorzeitige Geburt oder auch für eine Infektion. In der Regel wird die Schwangerschaft aber nach der Operation ganz normal fortgesetzt und das Kind zum Termin mit einem geschlossenen Rücken geboren. Interessanterweise bleiben von der Operation in der Gebärmutter keine Narben auf der Haut des Kindes zurück.
Chantal Zimmerer ist nach dem Gespräch mit der santé24-Ärztin etwas weniger nervös und fühlt sich besser informiert. Vor allem weiss sie jetzt, dass sie sich wegen ihrer kleinen Tochter keine Sorgen machen muss und was sie ihre Gynäkologin alles beim Termin in der nächsten Woche fragen möchte. Die Pille will Chantal Zimmerer auf jeden Fall wieder einnehmen und sofort mit der Folsäureeinnahme beginnen, damit sie sicher ist, dass ihre Vitamin B9-Speicher möglichst aufgefüllt sind, bevor sie zum zweiten Mal schwanger wird.
Dr. med. Silke Schmitt Oggier ist die Medizinische Leiterin von santé24 und selber Fachärztin für Kinder und Jugendliche. Die telemedizinische Beratung ist eine zentrale Dienstleistung von santé24, die den SWICA-Versicherten bei allen Fragen rund um die Gesundheit unter der Nummer 044 404 86 86 kostenlos zur Verfügung steht. Eine Praxisbewilligung für Telemedizin ermöglicht es den Ärzten von santé24 zudem, bei telemedizinisch geeigneten Krankheitsbildern weiterführende ärztliche Leistungen zu erbringen. Mit der medizinischen App BENECURA können SWICA-Versicherte ausserdem bei Krankheitssymptomen einen digitalen SymptomCheck machen und erhalten Empfehlungen fürs weitere Vorgehen. Bei einem anschliessenden Telefonat mit santé24 entscheidet der Kunde im Einzelfall selber, ob er die im SymptomCheck gemachten Angaben santé24 freigeben möchte.
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