Dr. Silke Schmitt Oggier - Med.Leiterin von sante24
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5 Fragen an Dr. Silke Schmitt Oggier - Wie erkenne ich die Symptome eines "zweiten Ertrinkens"

Dienstagabend, 23 Uhr, Ferienzeit. Der Anrufer bei sante24 ist via Mobile nicht besonders gut zu verstehen, ausserdem ist er sehr aufgeregt: «Hier ist Soler, wir sind gerade in Ägypten in den Ferien und ich glaube, meine Tochter hat das ‚zweite Ertrinken`.


Ich hab erst kürzlich darüber gelesen, stimmt alles, was muss ich jetzt machen, hier versteht mich keiner!» Die sante24-Gesundheitsberaterin erfragt zuerst ganz genau, wie es der Tochter geht. Sie ist 3-jährig und war beim Zubettgehen noch ganz munter. Jetzt ist sie wieder aufgewacht, sie ist etwas verschwitzt, hat eine verstopfte Nase und fasst sich ab und zu ans Ohr. Vorher hatte sie etwas unruhig geschlafen und ab und zu gehustet. Momentan sitzt sie bei der Mama auf dem Schoss, ist sehr anlehnungsbedürftig, schaut aber trotzdem ein Bilderbuch an. Ihre Atmungsfrequenz ist nicht erhöht, jetzt hustet sie nicht mehr. Am Vormittag war Johanna von einer Welle am Strand erfasst und überspült worden, so dass sie etwas Wasser geschluckt hat und erschrak. Sie weinte und hustete, spielte danach aber wieder im Sand.

 

Was ist das «zweite Ertrinken»?
Das sogenannte «zweite Ertrinken» ist eine verspätete Reaktion der Lunge auf eingedrungenes Wasser nach einem Beinahe-Ertrinkungs-Unfall. Wasser in der Lunge kann mehrere Stunden nach dem Ereignis zu einer schnellen Verschlechterung des Gesundheitszustandes führen. Wegen der kleineren Körperverhältnisse reichen bei Kindern kleinere Mengen Wasser als beim Erwachsenen, um diese Spätreaktion zu verursachen. Deshalb müssen Rettungssanitäter und Ärzte das berücksichtigen, auch wenn ein Kind sich nach einer Rettung oder Wiederbelebung zu Beginn schnell erholt. Nach einem Beinahe-Ertrinkungs-Unfall gehört ein Kind zur Überwachung ins Spital.

Ab wann spricht man von einem «Beinahe-Ertrinkungs-Unfall»?
Ein Beinahe-Ertrinkungs-Unfall liegt vor, wenn ein Kind regungslos oder bewusstlos aus dem Wasser oder mit dem Kopf im Wasser liegend gerettet wird, aber mit (oder selten ohne) Wiederbelebungsmassnahmen Kreislauf und Bewusstsein wiederhergestellt werden können.

Solange man bei Bewusstsein ist, hat der Körper in der Regel einen natürlichen Schutz, damit kein Wasser über Mund und Luftröhre in die Lungen gelangt. Ist man jedoch bewusstlos, entfällt dieser Schutz. Auch in Panik unter Wasser oder wenn man die Luft nicht mehr anhalten kann, kann es zu einem Atemzug kommen, der die Lunge mit Wasser füllt und zur Bewusstlosigkeit führt. Das Wasser in der Lunge behindert den lebensnotwendigen Sauerstoffaustausch und führt letztendlich zum Ertrinken/Ersticken.

Schreit und zappelt ein Kind nicht, bevor es ertrinkt?
Nein, Kinder ertrinken in der Regel lautlos. Ein Kind kann in weniger als 20 Sekunden untergehen und ertrinken. Deshalb kann es passieren, dass ein Kind plötzlich leblos auf dem Grund eines Pools entdeckt wird, obwohl einige Personen im und um den Pool herum waren und nichts bemerkt haben. Kleine Kinder können sogar in Pfützen ertrinken, weil sie es nicht schaffen, den Kopf zu heben. Kinder verlieren sofort die Orientierung und gehen unter bzw. bleiben einfach liegen.

Was kann man vorbeugend machen?
Wenn Wasser in der Nähe ist (egal, wie tief), muss vor allem bei Kindern, die sich selbst fortbewegen aber noch nicht schwimmen können, stets so nahe beim Kind bleiben, dass es jederzeit sofort aus dem Wasser gezogen werden kann. Andere Badegäste und Bademeister sind keine Aufsichtspersonen für Babys und Kleinkinder. Prinzipiell sollen Kinder möglichst bald schwimmen lernen. Kinder, die sicher schwimmen können, sind vor allem bei Sprüngen in unbekanntes Wasser oder bei unkontrolliertem Springen von Sprungtürmen, Felsen, Brücken usw. gefährdet.

Was kann passieren, wenn das Kind kurz untertaucht und etwas Wasser schluckt?
Beim Spielen im Wasser, beim Hineinspringen oder auch nur beim Herumspritzen mit Wasser, kommt es oft vor, dass ein Kind kurz untertaucht und etwas Wasser schluckt. Zum Teil erschrecken die Kinder durch das Wasser in Mund, Nase und Augen und husten oder würgen. Manche Kinder «retten» sich weinend aus dem Wasser. Die Szenen sind keinem Beinahe-Ertrinkungs-Unfall gleichzusetzen. Das geschluckte Wasser kann im schlimmsten Fall, bei sehr stark verseuchtem Wasser, einen Magen-/Darminfekt verursachen.

Die sante24-Gesundheitsberaterin kann Reto Soler beruhigen, da das Geschehen am Vormittag am Strand definitiv kein Beinahe-Ertrinkungs-Unfall war. Wahrscheinlich beginnt bei seiner kleinen Tochter gerade ein Infekt der oberen Luftwege mit Schnupfen und evtl. einer anfänglichen Ohrenentzündung. Der Husten im Schlaf kommt wahrscheinlich vom Nasen-Sekret, das im Liegen hinten den Rachen hinunter läuft und Hustenreiz auslöst. Um den Symptomen entgegenzuwirken, empfiehlt die Gesundheitsberaterin abschwellenden Nasenspray und bei zunehmenden Ohrenproblemen schmerz- und entzündungshemmende Zäpfchen und evtl. Zwiebelwickel. Diese Medikamente hat Familie Soler in der Reiseapotheke, so dass die Therapie sofort beginnen kann.

 

 

Dr. med. Silke Schmitt Oggier ist die Medizinische Leiterin von sante24. Die telefonische Gesundheitsberatung sante24 ist eine zentrale Dienstleistung von SWICA, die den SWICA-Versicherten bei allen Fragen rund um die Gesundheit unter der Nummer 044 404 86 86 kostenlos zur Verfügung steht. Die Fachkräfte von sante24 vereinbaren bei Bedarf einen Arzttermin und schaffen so die Grundlage für eine koordinierte und zielgerichtete Behandlung – von der ersten Beratung bis zum Therapieabschluss.

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