Catrina Ardüser, wie fühlen Sie sich?
«Danke, es geht mir trotz meiner Beschwerden gut. Vor allem, wenn die Schüler zum Unterricht kommen. Den Kindern aus Lantsch gebe ich bei uns zu Hause im Elternhaus Schule. Lehrerin ist ein erfüllender Beruf. Und er ist abwechslungsreich. Heute geht es beispielsweise um die Elemente Luft, Wasser, Erde und Feuer.
Es gefällt mir, wie natürlich und unbefangen die Kinder mit meiner Krankheit umgehen. Sie fragen direkt, warum ich im Rollstuhl sitze und was Multiple Sklerose sei. Ich erkläre es auf einfache Art, und damit ist es für sie okay. Leider begegnen Erwachsene einer Behinderung nicht immer so unverkrampft.
Kleine Hindernisse können grosse Schwellen sein
Ich habe 2008 die Lehrerausbildung an der pädagogischen Hochschule Chur abgeschlossen, mit Religion als Schwerpunkt. Seither erteile ich wöchentlich zwölf Lektionen. Doch leider muss ich das Pensum reduzieren. Ich bin ja immer im Rollstuhl. Durch das dauernde Sitzen leide ich an Schwindel und Verspannungen im Oberkörper. Physiotherapie hilft zwar, aber es schränkt mich teilweise schon ein, im Rollstuhl zu sein wegen der Treppen und Absätze auf den Strassen. Wenn’s nicht geht, frage ich einfach um Hilfe.
Ich kann momentan nicht Auto fahren, wegen des Schwindels. Hier in meinen geliebten Bergen von Lenz ist das ein grosser Nachteil. Ich bin auf die Hilfe meiner Freunde und Familie angewiesen, wenn ich etwas unternehmen will. Zum Glück schmilzt jetzt der Schnee, so dass wir bald wieder einen Ausflug machen können.
Allmählich verlor Catrina das Gleichgewicht
Mit 16 hatte ich erste Symptome wie Gleichgewichtsstörungen, stolperte im Turnunterricht. Doch die Ärzte fanden nichts. 2004 diagnostizierte dann ein Neurologe MS. Ich hatte keine Ahnung, was das bedeutet und informierte mich. Was ich erfuhr, war nicht gerade ermutigend: Dass ich unter einer unheilbaren Autoimmunkrankheit leide, deren Ursache unbekannt ist und die schubweise verläuft. Dabei werden die Nervenzellen von meinen Antikörpern angegriffen. Es treten Symptome wie Sehnerventzündungen, Zittern oder Sprachprobleme auf …
Brücken schlagen
Ich will eine Botschafterin sein und eine Brücke schlagen zwischen Menschen mit und ohne Behinderung. Deshalb nahm ich 2009 an der Wahl zur Miss Handicap teil. Die Reiserei war anstrengend, aber es war interessant zu sehen, wie andere ihren Alltag meistern. Eine Teilnehmerin hatte keine Arme. Aber sie konnte mit Hilfe ihrer Füsse selbständig essen, trinken, sogar Auto fahren. Und sie machte einen glücklichen, lebensfrohen Eindruck.
An der Miss-Wahl schaffte ich den Einzug ins Halbfinale. Gewonnen hat die gehörlose Corinne Parat. Ich freue mich für sie, denn wer nichts hört, ist im Alltag isoliert. Sie ist eine gute Botschafterin für Menschen mit einem Handicap, so wie die Supersportlerin Edith Hunkeler oder Silvano Beltrametti, der mit seiner Arbeit im Restaurant und für den Skiweltcup in Lenzerheide Grosses leistet.
«Im Schlaf renne ich manchmal»
Vor sieben Jahren konnte ich zum letzten Mal ohne Beinschienen und Krücken gehen, seit 2006 sitze ich im Rollstuhl. Im Schlaf renne ich manchmal und geniesse das Gefühl von Freiheit. Natürlich träume ich davon, dank besseren Medikamenten eines Tages wieder gehen zu können. Diese Hoffnung lasse ich mir nicht nehmen. Bis es soweit ist, bin ich zufrieden mit dem, was ich habe. Schliesslich lebe ich nur einmal, und dieses eine Mal will ich auskosten.»
Zur Person
Name: Catrina Ardüser
Geburtstag: 25.11.1986
Wohnort: Lantsch/Lenz GR (528 Einwohner, 1294 Meter über Meer)
Beruf: Primarlehrerin
Familie: Momentan Single. Sie wohnt zusammen mit den Eltern und zwei jüngeren Brüdern, die Schwester arbeitet im Kanton Luzern
Was ich liebe: Meine Familie, die Natur, meine Freunde, lesen (vor allem Action und Thriller, zum Beispiel von John Grisham)
Was ich nicht mag: Wenn ich bei Regen und Schnee raus muss
Catrina Ardüser liebt die Berge Graubündens.
Leider machen sie das Leben im Rollstuhl alles
andere als einfacher.
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