Stanko Pavlica schildert die Entstehung des Web-TV und die Situation von Gehörlosen:
«Hier in den Studios des Web-Fernsehens Focusfive fühle ich mich wohl. Ich liebe es, kreativ zu sein und Filme zu produzieren. Michel Laubacher und ich gründeten den Informations- und Unterhaltungskanal Focusfive TV vor acht Jahren. Wir investierten 5000 ehrenamtliche Stunden in das Projekt. Leider ist dessen Finanzierung bis heute ein Problem. Neue Kunden und Sponsoren sind gesucht.
Informationen für 500'000 Schwerhörige in der Schweiz
Focusfive war 2003 europaweit der erste Web-TV-Kanal für Gehörlose und Schwerhörige. Mittlerweile haben wir ein Dutzend Nachahmer gefunden. Das Bedürfnis nach Information für Menschen mit einer Hörbehinderung ist da: In der Schweiz leben 10’000 Gehörlose und 500'000 Schwerhörige. Da ist es unverständlich, dass das Schweizer Fernsehen Ende 1998 die Sendung "Sehen statt Hören" einstellte.
Die grössten Zuschauerzahlen erreichen wir mit den Deaflympics, den olympischen Spielen für Gehörlose. Dann haben wir täglich bis zu 40'000 Zuschauer, zehnmal mehr als an einem "normalen" Tag.
Ursus & Nadeschkin gehören zu den Kunden
Wir übernehmen auch Kundenaufträge. Soeben machten wir einen Film für das Komikerduo Ursus & Nadeschkin. Bei uns arbeiten drei Gehörlose und zwei Hörende. Sie beherrschen die Gebärdensprache. Das ist wichtig, denn das Gebärden ist das Hauptkommunikationsmittel in unserem Geschäft. In unseren Büros kann ich als Gehörloser barrierefrei kommunizieren. Solche Inseln sind selten.
Ich bin seit meiner Geburt taub. Ich nehme die Welt anders wahr und mache meine Gehörlosigkeit durch andere Sinne wett. Als visueller Mensch nehme ich Stimmungen und Gefühle durch Beobachten auf. In Gesichtern und Gesten lese ich Trauer, Freude oder Liebe. Ich höre mit den Augen.
Im ohrenbetäubenden Lärm sprechen die Hände besser
Abgesehen davon hat die Gehörlosigkeit auch Vorteile, wenn man sie mit Humor betrachtet: Kein Krach reisst mich aus dem Schlaf … Manchmal gehe ich auch zum Spass mit gehörlosen und hörenden Kollegen in eine Disco, geniesse die Vibrationen der Bässe und die Bewegungen der schönen Frauen. An diesen lauten Orten können wir uns besser verständigen als Hörende, die ihr eigenes Wort nicht verstehen. Übrigens spielte ich früher in der Schule Schlagzeug. Es machte Spass, Lärm zu machen, auch wenn ich nur spürte, wie unsere Musik geklungen hat.
Es ist nicht einfach, wenn ein Hörender das Gehör verliert, so wie das Beethoven passierte. Dann muss man eine andere Kultur und ein neues Verhalten erlernen. Das fällt vielen schwer. In solchen Fällen kann eine Operation zur Wiederherstellung des Gehörs sinnvoll sein. Für mich jedoch kommt sie nicht in Frage. Die Operation würde meine Identität erschüttern.
Jahrelang verfemt: Die Sprache der Gehörlosen
Die Gebärdensprache war lange verboten, man glaubte, sie mache dumm. Heute schwindet dieses Vorurteil und sie wird als eigene Sprache akzeptiert. Wir haben eine eigene Grammatik, die von derjenigen der gesprochenen Sprache abweicht. Wenn wir also anders schreiben als Hörende, heisst das nicht, dass wir blöd wären. Wir denken einfach anders. Man sollte dies respektieren. Es gibt übrigens verschiedene Gebärdensprachen, je nach Land. In der Schweiz gibt es sogar verschiedene Gebärden-Dialekte.
Es ist wohl kein Zufall, dass mein liebstes Hobby still ist: Ich reite fürs Leben gern auf dem Windsurfbrett über das Wasser. Je stärker der Wind bläst, desto besser. Ich freue mich auf die Saison mit Sonne, Wind und Wellen.»
Der Autor Beat A. Stephan und Stanko Pavlica kommunizierten mit Hilfe einer Gebärdendolmetscherin.
«Ich höre mit den Augen»: Stanko Pavlica im Studio in Zürich.
Zur Person
Name: Stanko Pavlica
Geburtstag: 6. April 1974
Wohnort: Zürich
Familie: Ledig, Eltern und eine Schwester sind normalhörend, die andere Schwester ist schwerhörig
Beruf: Ausgebildeter Maschinenzeichner, später Weiterbildung zum Gebärdensprachlehrer und in Digital Film Making mit Bachelorabschluss. Tätig als Geschäftsleiter von Focusfive, www.focusfive.ch
Was ich liebe: Windsurfen, Segeln
Was ich nicht mag: Pilze, Krieg, Tier- und Menschenquäler
Stanko Pavlica: «Wenn wir anders schreiben, heisst das nicht, dass wir blöd wären».
Bilder Beat A. Stephan
Meeting
Hoi Stanke
Na ja wie wäre es mit in diese oder nächste Woche über Mittag mal im Cafe Gnädinger ??? :-)
Schöni äbig
Grüässli Rosemarie