Richtiger Handygebrauch ist Erziehungssache
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Richtiger Handygebrauch ist Erziehungssache

In der App checken, wann und wo der Bus fährt, ein Selfie knipsen oder im Chat ein Treffen am Abend vereinbaren – das Smartphone erleichtert Kindern und Jugendlichen den Alltag enorm. Der übermässige oder unbedachte Gebrauch des handlichen Begleiters hat aber auch seine Tücken. Früh erkannt, lassen sich langfristige Schäden verhindern.


Wenn es um den Handykonsum bei Kindern geht, lässt sich ein Begriff nicht oft genug wiederholen: Kontrolle. Zu kontrollieren gilt es beispielsweise, wie lange und zu welchem Zeitpunkt ein Kind täglich das Smartphone in der Hand hat. Besonders beim Posten auf Social Media ist Vorsicht geboten. «Privat ist privat. Man muss nicht alles posten und sich nicht in allen Situationen fotografieren (lassen) – das Netz vergisst nie», rät Silke Schmitt Oggier, Kinderärztin und medizinische Leiterin bei santé24. Weiter sind Zeitlimiten wichtig: Schule und Hausaufgaben, Hobbys aber auch Treffen mit Freundinnen und Freunden dürfen auf keinen Fall zu kurz kommen.


Apps ersetzen keine Erziehungsmassnahmen

Es gibt verschiedene Apps, welche die Eltern bei der Erziehung unterstützen können. Mit gewissen Applikationen lässt sich die Nutzungsdauer einstellen, wodurch sich das Smartphone nach der vereinbarten Zeit von selbst ausschaltet. Andere Apps können genutzt werden, um zu kontrollieren, wofür das Kind sein Smartphone benutzt hat. Experten empfehlen allerdings, weitgehend auf solch technische Unterstützung zu verzichten; viel sinnvoller seien Vereinbarungen zwischen Eltern und Kindern. Auch im Schulunterricht lernen die Kindern einen gesunden Umgang mit dem Handy. Dabei sind die Lehrpersonen jedoch auch auf die Unterstützung der Eltern angewiesen.


Vom problematischen Konsum zur Sucht

Beim Thema Handykonsum gibt es verschiedene Warnzeichen, die Eltern beachten sollten. Diese beziehen sich nicht primär auf die Konsumdauer, sondern auf die Verhaltensweise des Kindes. Hat der Nachwuchs plötzlich keine Lust mehr aufs Fussballtraining, die Pfadi oder auf Treffen mit seinen Gspänli? Ist häufiger Streit in der Familie festzustellen? Oder verbringt das Kind oder der Jugendliche viel Zeit alleine und erstaunlich ruhig in seinem Zimmer oder ist morgens auffallend blass und müde? Bei solchen Indizien sind der Smartphone-Konsum und die WLAN-Verfügbarkeit zu überdenken. Ohne Reaktion kann sich ansonsten eine Sucht entwickeln. Davor warnt auch die Stiftung Sucht Schweiz: «Wie bei jeder anderen Abhängigkeit ist der Übergang von problemfreier Nutzung zu problematischer Nutzung und Abhängigkeit fliessend.» Studien zeigen, dass fünf Prozent der Schweizer Jugendlichen zwischen 12 und 19 Jahren als handysüchtig bezeichnet werden können.


Privat ist privat. Man muss nicht alles posten und sich nicht in allen Situationen fotografieren (lassen) – das Netz vergisst nie.

Silke Schmitt Oggier, Kinderärztin und medizinische Leiterin bei santé24

 

Wie viel Bildschirmzeit? Eine Faustregel.

Wie viel Zeit vor dem Handybildschirm– Handy, Tablet oder TV – sollen Eltern ihren Kindern also pro Tag erlauben? Die Zeitdauer soll individuell und nicht strikt nach Erziehungsratgeber festgelegt werden. Dennoch gibt es Richtwerte:

  • Für Kinder unter drei Jahren wird keine oder nur wenige Minuten tägliche Bildschirmzeit empfohlen.
  • Drei- bis Fünfjährige sollten höchstens eine halbe Stunde pro Tag vor einem Bildschirm sitzen.
  • Bei Sechs- bis Neunjährigen gilt: höchstens eine Stunde Bildschirmzeit pro Tag.
  • Ab zehn Jahren entspricht das Alter der Anzahl Stunden vor einem Bildschirm pro Woche.

Ist ein Kind mitten in einem Spiel oder einem Video vertieft, ist es schwierig, die Bildschirmzeit stur durchzusetzen. Hier ist es sinnvoller, die Anzahl Spielrunden oder Videos gemeinsam zu vereinbaren.


Auf lange Sicht kurzsichtig

Um gesund mitzuwachsen, braucht unser Auge Abwechslung in den Sehdistanzen, also neben der Fokussierung auf ein nahes Objekt auch den Blick in die Ferne zum Beispiel beim Verstecken spielen draussen. Bei Kindern und Jugendlichen, die mehr Zeit vor dem Handybildschirm verbringen, stellen Augenärztinnen und -ärzte aufgrund der ständigen kurzen Sehentfernung häufiger eine Kurzsichtigkeit fest. Wie der Tessiner Augenarzt Lorenzo Franscini gegenüber Schweizer Radio und Fernsehen SRF bestätigt, sind die Folgen bereits spürbar: «Wir verzeichnen mehr Fälle von kurzsichtigen Kindern.» Dass zu viel Bildschirmzeit bereits im jungen Alter eine Kurzsichtigkeit fördert, zeigt sich nun auch anhand einer neuen repräsentativen Studie aus China.


Das Handy positiv nutzen

Das Smartphone soll auf keinen Fall verteufelt werden, da es auch viele positive Aspekte mit sich bringt. So verschafft es Jugendlichen ein Gefühl der Zugehörigkeit: Sie können einfacher mit ihren Kolleginnen und Kollegen kommunizieren und mit ihnen Treffen vereinbaren, was sie selbständiger macht. Ausserdem sind Familien dank der digitalen Alleskönner im regelmässigen Austausch – egal, wo sich die Kinder gerade aufhalten.

Ein sinnvoller Umgang mit dem Handy will gelernt sein. Hierbei übernehmen insbesondere die Eltern eine Vorbildfunktion.

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