Unsere kleinste Tochter (4) hat schlimmen Durchfall und ich höre aus der Nachbarschaft von vielen durchfallgeplagten Kindern und Erwachsenen – ist da irgendetwas besonderes los?
Katharina Aescher meldet sich am santé24-Telefon, weil ihr die Häufung von Durchfallerkrankungen in ihrer Nachbarschaft komisch vorkommt. «Unsere kleine Tochter ist betroffen und verschiedenste Leute ganz unterschiedlichen Alters aus der Nachbarschaft, die alle gar keinen so engen Kontakt zueinander haben. Manchen geht’s auch wirklich nicht so gut, das sieht man ihnen an», erzählt Frau Aescher besorgt. «Das einzige, was mir aufgefallen ist, dass fast alle in den letzten Tagen bei dem schönen Wetter nochmal grilliert haben. Kann das denn damit etwas zu tun haben, oder von was kann das kommen? Am Wochenende wollen meine Eltern (82) uns besuchen, die gesundheitlich nicht so stabil sind und die ich nicht irgendeiner gefährlichen Ansteckung aussetzen möchte.»
Woher kommen die vielen Durchfallerkrankungen momentan in der Schweiz?
Der Sommer ist in der Regel eine Risikozeit für Durchfallerkrankungen verschiedener Arten. Einerseits ist es in der warmen Jahreszeit oft nicht ganz einfach, Lebensmittel korrekt gekühlt zu lagern bzw. deren Verderblichkeit richtig einzuschätzen, andererseits birgt vor allem das Grillieren von (Geflügel-)Fleisch Gefahren, wenn man das Fleisch nicht lange genug auf dem Grill lässt und es so nicht ganz durchgegart wird. Momentan gibt es in der Schweiz eine für diese Jahreszeit überdurchschnittliche Häufung sogenannter Campylobacter-Durchfallerkrankungen. Dies ist ein Bakterium, das natürlicherweise in Nutztieren wie Geflügel, in Wildtieren wie Vögeln und Nagetieren, sowie auch in Hunden und Katzen vorkommen kann. Die Übertragung auf den Menschen erfolgt in der Regel über kontaminierte Lebensmittel wie eben ungenügend erhitztes Fleisch, insbesondere Pouletfleisch. Eine Übertragung von Mensch zu Mensch ist auch nicht ausgeschlossen, allerdings selten und mehrheitlich bei Kindern möglich. Ebenfalls selten ist eine Verunreinigung von Badeseen und eine Ansteckung über beim Schwimmen oder Tauchen verschlucktes Wasser.
Was sind die Symptome einer Campylobacter-Infektion?
Zwei bis fünf Tage nach dem Kontakt mit dem Bakterium zeigen sich Symptome wie Durchfall, Bauchschmerzen, Unwohlsein und Fieber. Erbrechen kann vorkommen, ist aber nicht immer dabei. Der Durchfall kann eine flüssig-wässrige Konsistenz annehmen und sogar Spuren von Blut oder Schleim beinhalten. Nach ein bis maximal zwei Wochen sollte man wieder komplett gesund sein. Selten können im Verlauf Komplikationen wie reaktive entzündliche Gelenkerkrankungen, das Guillain-Barré-Syndrom (reversible aufsteigende Lähmungserscheinungen) oder sogar eine Hirnhautentzündung auftreten.
Was kann man am besten dagegen tun?
Wie bei allen akuten Durchfallerkrankungen ist das Wichtigste, die Flüssigkeit und die Mineralien und Salze, die der Körper aufgrund des Durchfalls verliert, möglichst zu ersetzen. Vor allem bei zusätzlichem Erbrechen muss dies zum Teil löffelweise versucht werden, damit der Körper die Flüssigkeit behält. Kalorien in Form von fester Nahrung sind nicht wichtig – bis auf Zucker, der aber gut mit Flüssigkeiten zugeführt werden kann. Eine Mischung aus Schwarztee, Orangensaft und Wasser mit einer Prise Salz und Zucker kann z.B. in der Regel die wichtigsten Mineralien ersetzen. In der Apotheke gibt es ansonsten noch speziell abgestimmte Elektrolytlösungen zum Anmischen.
Wer ist besonders gefährdet?
Vor allem Kleinkinder und Senioren reagieren besonders empfindlich auf Flüssigkeitsverlust. Wenn der Durchfall bei diesen Personen mehr als zwei bis drei Tage anhält oder sich der Kreislauf und der Allgemeinzustand verschlechtert, sollte ärztliche Hilfe in Anspruch genommen werden. Gegebenenfalls würde man die Campylobacter-Infektion dann mit Antibiotika behandeln und/oder eine Rehydrierung über die Venen im ambulanten oder stationären Setting (je nach zusätzlichen Symptomen) durchführen. Auch Personen mit einem aufgrund von Krankheit oder Medikamenten unterdrückten Immunsystem können schwerer erkranken und benötigen früher ärztliche Unterstützung.
Wie kann man sich vor einer Campylobacter-Ansteckung schützen?
Eine konsequente Küchenhygiene, besonders bei der Zubereitung von frischem oder gefrorenem Pouletfleisch, ist unerlässlich. Geflügel muss ganz durchgegart werden, leichtes Anbraten oder kurzes Grillieren genügt nicht, um die Erreger abzutöten. Das Auftauwasser von gefrorenem Geflügel und anderen Fleischsorten sollte man direkt entsorgen und Küchenutensilien und Arbeitsflächen, die damit in Berührung gekommen sind, heiss abwaschen. Auf tiefgefrorenen Produkten überleben die Keime mehrere Monate. Für rohe und gegarte Lebensmittel soll strikt getrenntes Küchengeschirr benutzt werden, um die Erreger nicht zu verschleppen. Das ist auch ein wichtiger Hinweis für die kommende Fondue-Chinoise-Saison! Auch über Küchenhandtücher und Wischlappen können die Erreger weiterverbreitet werden, weshalb man diese häufig wechseln und bei mindestens 60°C waschen soll. Zuletzt hilft eine gute Händehygiene in der Küche und nach jedem Toilettengang, andere nicht anzustecken.
Pouletfleisch ist bei Kindern und zum Grillieren sehr beliebt. Bei heisser Glut werden die Teile zwar oft aussen schnell dunkel angebraten, sind aber innen nicht durchgegart. So war das evtl. auch bei den verschiedenen Grill-Events in der Nachbarschaft und bei Familie Aescher selber. Eine Ansteckung unter den Kindern ist zwar nicht auszuschliessen, kommt bei den betroffenen Erwachsenen aber eigentlich nicht in Frage. Bis zum Wochenende sollte die kleine Tochter wieder gesund sein, wobei die Campylobacter-Bakterien noch zwei bis vier Wochen lang über den Stuhlgang ausgeschieden werden können. Vor allem bei ihr ist beim Besuch der Grosseltern auf sehr gute Händehygiene mit Seife nach jedem Toilettengang zu achten. Hühnerfleisch vom Grill wird es bei Familie Aescher erstmal nicht mehr geben, so dass der Gesundheit der Grosseltern bzw. Eltern von Frau Aescher nichts im Wege stehen sollte. Nach dem Telefonat mit santé24 fühlt sie sich deutlich beruhigter und hat ein gutes Gefühl auch mit Blick auf den Besuch. Sie weiss nun, auf was sie achten muss, und dass keine unheimliche Gefahr in der Nachbarschaft lauert.
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