Dr. Silke Schmitt Oggier - Med.Leiterin sante24
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5 Fragen an Dr. Silke Schmitt Oggier - Heuschnupfenzeit: Kann man jetzt desensibilisieren?

Die santé24 Gesundheitsberaterin muss schmunzeln, weil sie heute schon zum fünften Mal Anrufer mit Heuschnupfensymptomen am Telefon berät, die gar nicht glauben können, dass die Pollensaison bereits begonnen hat.


Diesmal ist es Ralf Dändliker, der wegen seines 8-jährigen Sohnes Tobias anruft: «Mein Sohn kann kaum mehr aus den Augen schauen, muss dauernd niesen und die Nase schnäuzen. Als wir jetzt aus den Bergen zurückgekommen sind, hat das wie auf einen Schlag angefangen. Letztes Jahr hatte Tobias zum ersten Mal Heuschnupfen, aber nicht so schlimm und auch nicht so früh – es ist doch noch fast Winter! Kann das wirklich Heuschnupfen sein? Falls es Heuschnupfen ist, können wir sofort eine Desensibilisierung starten? Der Arme kann doch so nicht den ganzen Frühling leiden». So sprudelt es aus dem besorgten Vater heraus.

 

Kann Heuschnupfen bereits im Februar auftreten?

Obwohl die nächtlichen Temperaturen noch kühl sind, wärmen die Sonnenstrahlen am Tag schon gut und bringen Büsche oder Bäume wie Hasel oder Erle oft noch in der Wintersaison zum Blühen. In den meisten Schweizer Gegenden, mit Ausnahme der Bergregionen, ist deshalb die Pollenbelastung derzeit hoch. In den milderen Gebieten wie in Basel oder im Tessin blühen sogar schon die Pappeln. Das heisst, dass Menschen, die auf Frühblüher mit Heuschnupfensymptomen reagieren, bereit betroffen sind. Vor allem, wenn es mehrere Tage nicht regnet, sammeln sich die Pollen in der Luft an. 15-20 Prozent der Bevölkerung leidet unter solch einer Pollenallergie. Die Symptome müssen nicht jedes Jahr gleich sein, sondern können sich im Verlauf verändern oder sogar verschlimmern.

Was bringt ein Allergietest?

Um genauer herauszufinden, auf welche Pollen man allergisch reagiert, sollte man bei einem Kinderarzt, Hausarzt oder Allergologen einen Allergietest auf der Haut machen lassen. Dabei wird die Reaktion der Haut am Arm oder am Rücken auf verschiedene Allergene getestet. In der Haut hat es dieselben Zellen wie in Nase, Augen, Lunge oder dem Darm, den von Allergien am meisten betroffenen Organen. Mit dem Allergietest weiss man dann nicht nur, ob und auf welche Pollen man allergisch reagiert, sondern auch, ob es eventuell Kreuzreaktionen mit irgendwelchen Lebensmitteln geben könnte. Bei einer Allergie auf Frühblüher wie Birke, Hasel oder Erle können dies sein: Kern- und Steinobst (Äpfel, Birnen, Pflaumen, Aprikosen, Kirschen usw.), Haselnuss, Walnuss, Mandeln, Tomaten, Karotten, Sellerie, Mango, Avocado, Fenchel, Kiwi oder Litschi. Die Nahrungsmittelallergie macht sich meist nur mit einem komischen Gefühl oder Kribbeln im Mund bemerkbar, seltener entstehen deutlichere Symptome wie geschwollene Lippen oder Verdauungsprobleme.

Wie lassen sich die Symptome behandeln?

Um unter den Heuschnupfensymptomen nicht allzu sehr leiden zu müssen, beginnt man mit einer Therapie an den betroffenen Stellen. Das heisst, bei Schnupfen mit speziellen Nasensprays und mit Nasensalbe, damit die Pollen gar nicht bis zur Nasenschleimhaut gelangen und bei geröteten, juckenden und tränenden Augen mit antiallergischen Augentropfen. Die lokale Therapie kann man noch mit sogenannten Antihistaminika in Tablettenform unterstützen. Die passenden Medikamente bekommt man rezeptfrei in der Apotheke. Helfen diese nicht oder kommen Atemprobleme oder Asthma dazu, braucht es eventuell kortisonhaltige Präparate, die ein Arzt verschreiben muss. Mit diesen Therapieoptionen und ein paar Verhaltensmassnahmen kommt man in der Regel gut durch die Saison.

Wie kann man eine Therapie unterstützen?

Wichtig ist, dass man so kurz wie möglich und auch so wenig wie möglich mit den auslösenden Pollen in Kontakt kommt. Das heisst zum Beispiel, wenn die Augen stark reagieren, sollte man möglichst mit Sonnenbrille und seitlichem Schutz draussen unterwegs sein und bei Kontaktlinsenträgern, Einmallinsen verwenden. Damit mit dem Einatmen möglichst wenig Pollen in die Lunge gelangen, hilft es, durch die Nase atmen, wo die feinen Härchen und Nasensalbe die Pollen quasi abfangen können. Kleidung, die man draussen getragen hat und an der viele Pollen hängen bleiben, sollte man möglichst vor Betreten der Wohn- und vor allem ausserhalb der Schlafräume ausziehen und waschen. Ebenso hilft es, die Haare zu waschen. Die Fenster sollte man möglichst geschlossen halten (auch im Auto) und sich bestimmte Zeiten fürs Durchlüften angewöhnen: In städtischen Gebieten liegt die pollenärmste und damit günstigste Zeit morgens zwischen 6 und 8 Uhr, auf dem Land zwischen 19 Uhr und Mitternacht oder jeweils nach ausgedehnterem Regen, der die Luft von den Pollen säubert. Studien zeigen, dass sich in Innenstädten und Industriegebieten Luftschadstoffe an der Pollenoberfläche anlagern und diese aggressiver machen können. Ein Aufenthalt in den Bergen oder in Regionen, die weniger stark oder zu anderen Zeiten betroffen sind, kann sinnvoll sein. Dabei können Pollenflugkalender oder eine Pollen-App helfen.

Kann man mit einer Desensibilisierung jetzt die Symptome lindern?

Bei einer klar ausgewiesenen Allergie ist sowohl im Kindes- als auch im Erwachsenenalter eine Desensibilisierung empfehlenswert. Dies, weil die Symptome schlimmer werden können und man einen sogenannten «Etagenwechsel» hin zu Asthma verhindern möchte. Am erfolgversprechendsten sind Desensibilisierungen, wenn man auf einzelne Pollen allergisch reagiert. Ist man auf ganz viele Pollen allergisch, nimmt die Erfolgsrate der Desensibilisierung ab. Welche Art von Desensibilisierung man wählt, ob Tabletten, Tropfen oder Spritzen muss man mit dem betreuenden Hausarzt oder Allergologen besprechen. Dine Desensibilisierung dauert mehrere Jahre. Auch wenn der Etagenwechsel schon stattgefunden hat, kann eine Desensibilisierung die Symptome lindern. Allerdings sollte die Desensibilisierung nicht in den Monaten stattfinden, in denen die allergenen Pollen in der Luft sind. Am besten desensibilisiert man in den Herbst- und Wintermonaten, bzw. mindestens drei Monate vor der erwarteten individuellen Allergie-Saison.

Ralf Dändliker ist zwar nach der Beratung enttäuscht, dass Tobias im Moment keine Desensibilisierung beginnen kann, er weiss jetzt aber, wie er Schritt für Schritt vorgehen kann. Bis zum Termin für den Allergietest beim Kinderarzt holt er Medikamente in der Apotheke, um die Symptome seines Sohns lindern zu können. Nach dem Allergietest möchte er dann mit dem Kinderarzt sofort die Desensibilisierungsmöglichkeiten für den nächsten Herbst besprechen.

 

Dr. med. Silke Schmitt Oggier ist die Medizinische Leiterin von santé24 und selber Fachärztin für Kinder und Jugendliche. Die telemedizinische Beratung ist eine zentrale Dienstleistung von santé24, die den SWICA-Versicherten bei allen Fragen rund um die Gesundheit unter der Nummer 044 404 86 86 kostenlos zur Verfügung steht. Eine Praxisbewilligung für Telemedizin ermöglicht es den Ärzten von santé24 zudem, bei telemedizinisch geeigneten Krankheitsbildern weiterführende ärztliche Leistungen zu erbringen. Mit der medizinischen App BENECURA können SWICA-Versicherte ausserdem bei Krankheitssymptomen einen digitalen SymptomCheck machen und erhalten Empfehlungen fürs weitere Vorgehen. Bei einem anschliessenden Telefonat mit santé24 entscheidet der Kunde im Einzelfall selber, ob er die im SymptomCheck gemachten Angaben santé24 freigeben möchte.

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