Pascal Blumer hat seinen Sohn Luka (9) gerade aus der Badi abgeholt und dabei eine Verletzung an dessen Oberarm festgestellt. Nach längerem Befragen gibt Luka zu, dass er im Streit von einem etwa gleichaltrigen Buben gebissen worden sei. Die «Beissattacke» liegt schon ein paar Stunden zurück. Luka bewegt seinen Arm ganz normal; er war auch bereits wieder schwimmen, aber bei Berührung tut es ihm doch sehr weh. «Müssen wir jetzt etwas unternehmen? Müssen wir jetzt noch zum Arzt?» fragt der Vater besorgt. Die santé24-Gesundheitberaterin lässt sich das Aussehen der Wunde und den Ort genau beschreiben, notiert sich den ungefähren Zeitpunkt des Vorfalls und fordert dann noch Fotos der Wunde und des Impfausweises via Benecura-App an, damit sich das Ärzte-Team ein Bild der Verletzung und von Lukas Impfstatus machen kann.
Muss jeder Biss durch einen Menschen zum Arzt?
Wenn der Biss durch die Haut ging und es blutet oder geblutet hat, dann ja. Da menschliche Zähne nicht besonders spitz sind, verursachen die meisten von Menschen verursachten Bisse meist nur eine Quetschung oder einen oberflächlichen Riss. Allerdings kann ein Biss in fleischige Körperteile wie Ohren, Nase und Penis diese sogar abtrennen. Meistens ist der Zahnabdruck des Beissenden relativ gut sichtbar, so dass man beispielsweise bei Kinderschutzfällen oder gröberen Angriffen gut auf einen erwachsenen oder kindlichen Täter rückschliessen kann.
Was kann an einem Menschenbiss gefährlich sein?
Bei einem Menschenbiss, bei dem die Zähne die Haut durchstossen haben, ist vor allem das Infektionsrisiko relativ hoch. Im Allgemeinen kommt es nach Menschenbissen in 20 bis 25 Prozent der Fälle zu einer Infektion durch die Bakterien, die im Speichel vorkommen. Eines dieser Bakterien ist besonders gefürchtet, da es nicht auf die gängigen Antibiotika anspricht. Durch Bisse vom Menschen können theoretisch auch Viren wie Hepatitis B und C und HIV übertragen werden. Allerdings ist eine HIV-Übertragung eher unwahrscheinlich, da die Konzentration von HIV im Speichel viel niedriger als im Blut ist und Inhibitoren im Speichel das Virus in der Regel unwirksam machen. Je nach Situation oder bei Verdacht kann jedoch eine postexponenzielle Prophylaxe und/oder eine Blutuntersuchung auf Hepatitis und HIV sinnvoll sein, um eine Ansteckung mit Sicherheit auszuschliessen.
Welche Wunden sind besonders gefährlich?
Bisswunden mit erhöhtem Infektionsrisiko sind tiefe Wunden, verschmutzte Wunden, Wunden mit starker Gewebszerstörung, Ödem, schlechter Durchblutung sowie Wunden an Händen, Füßen, im Gesicht, an den Genitalien und im Bereich von Knochen, Gelenken und Sehnen. Auch bei Quetschungen sollte man ungewöhnliche Funktionseinschränkungen ernst nehmen und ärztlich untersuchen lassen.
Was passiert beim Arzt nach einem Biss?
Die Wunde wird gut angeschaut, ob sie nicht doch tiefer ist als angenommen und ob sich eventuell Fremdkörper wie ein abgebrochenes Zahnstück darin befinden. Danach wird die Wunde in der Regel bis in die Tiefe gereinigt, damit Bakterien und zerstörtes Gewebe so gut wie möglich entfernt werden können. Eine Desinfektion ist ein weiterer wichtiger Schritt. Ob der verletzte Körperteil ruhig gestellt werden muss oder ob eine Behandlung mit Antibiotika notwendig ist, ist vom Ausmass und der Lokalisation der Verletzung abhängig. Meistens lässt man Bisswunden offen heilen und näht sie nicht zu, da sich gewisse Infektionen oder Erreger besser ausbreiten können, wenn keine oder weniger Luft an die Wunde kommt. Ausserdem kann man den Heilungsverlauf offen besser beurteilen. Ein Verband, um die Wunde vor erneuter Verschmutzung zu schützen, ist sinnvoll. Wichtig ist bei Bedarf auch eine Auffrischung des Tetanusimpfschutzes.
Im Vergleich zum Menschenbiss wie häufig und wie gefährlich sind Hunde- oder Katzenbisse?
Tierbissverletzungen sind deutlich häufiger als Menschenbisse. Etwa 60 bis 80 Prozent der Bissverletzungen werden durch Hunde verursacht, 20 bis 30 Prozent durch Katzen. Bissverletzungen durch Menschen können in Städten aber dennoch bis zu 20 Prozent der Bissverletzungen ausmachen. 25 Prozent aller Bisse erleiden Kinder unter sechs Jahren und 34 Prozent Kinder im Alter von sechs bis 17 Jahren. Bei jüngeren Kindern dominieren Verletzungen im Kopf-Hals-Bereich, bei älteren an den oberen oder unteren Extremitäten. Im Allgemeinen kommt es bei 10 bis 20 Prozent der Bissverletzungen zu Infektionen, wobei Katzenbisse zu den meisten Infektionen (30 bis 50 Prozent) führen, gefolgt von Menschen- (20 bis 25 Prozent) und Hundebissen (5 bis 25 Prozent). Je grösser und aggressiver das Tier und je kleiner das Kind, desto grösser ist neben der Infektion die Gefahr von schwerwiegenden bis zu tödlichen Verletzungen aufgrund der Grösse der Wunde oder dem Ort des Bisses oder der Bisse. Hundebisse unterliegen der Meldepflicht.
Bei Luka Blumer können die Ärztin von santé24 aufgrund der via Benecura-App zur Verfügung gestellten Fotos und einer Befragung von Luka, was er mit dem Arm alles machen kann und was ihm genau wehtut, Entwarnung geben: es handelt sich um eine reine, jedoch sehr schmerzhafte, Quetschung, die Haut am Oberarm ist überall intakt und Luka kann den Arm ohne grosse Einschränkung bewegen. Auch Lukas Tetanusimpfschutz wäre noch gegeben. Dennoch sollen die Eltern den weiteren Verlauf beobachten und bei später auftretender Schwellung, Rötung oder geschwollenen Lymphknoten in der Achselregion einen Kinderarzt aufsuchen. Erst einmal sind Pascal Blumer und seine Frau jedoch beruhigt, dass sie den Sonntagabend nicht auf einer Notfallstation verbringen müssen.
Dr. med. Silke Schmitt Oggier ist die Chefärztin von santé24 und selber Fachärztin für Kinder und Jugendliche. Die telemedizinische Beratung ist eine zentrale Dienstleistung von santé24, die den SWICA-Versicherten bei allen Fragen rund um die Gesundheit unter der Nummer 044 404 86 86 kostenlos zur Verfügung steht. Eine Praxisbewilligung für Telemedizin ermöglicht es den Ärzten von santé24 zudem, bei telemedizinisch geeigneten Krankheitsbildern weiterführende ärztliche Leistungen zu erbringen. Mit der medizinischen App BENECURA können SWICA-Versicherte ausserdem bei Krankheitssymptomen einen digitalen SymptomCheck machen und erhalten Empfehlungen fürs weitere Vorgehen. Bei einem anschliessenden Telefonat mit santé24 entscheidet der Kunde im Einzelfall selber, ob er die im SymptomCheck gemachten Angaben santé24 freigeben möchte.
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