Hat Schielen Auswirkungen? Mache ich mir zu viele Sorgen oder soll ich doch mal zum Arzt gehen?» Das sind die Fragen von Selina Simmen am santé24-Telefon.
Ist Schielen nur ein kosmetisches Problem?
Nein, Schielen ist viel mehr als ein kosmetisches Problem, aber das Kosmetische ist natürlich das, was alle sehen. Die Augen werden von vielen aufeinander abgestimmten Muskeln bewegt und in die Position gebracht, in der beide Augen einen fixierten Gegenstand bei einer bestimmten Kopfhaltung am besten sehen können. Wenn die Bilder beider Augen nicht zu unterschiedlich sind, werden sie im Gehirn zu einem Bild zusammengesetzt. Sonst würden wir ja ständig Doppelbilder sehen. Häufig liegt dem Schielen ein Ungleichgewicht dieser Augenmuskeln zugrunde, die dann zu einer falschen Augenstellung führt. Bis zu fünf Prozent der mitteleuropäischen Bevölkerung sind davon betroffen.
Wieso schielen viele Babys?
In den ersten Lebensmonaten kann es bei Babys vermehrt zum Schielen kommen. Grund dafür ist die noch mangelnde Koordination beider Augen durch das Gehirn und die noch nicht ausgeprägte Fixation von Gegenständen mit der Mitte der Augen-Netzhaut. Das beidäugige Sehen und Fixieren ist für die Augen-Muskeln zu Beginn auch relativ anstrengend, so dass viele Babys schielen, wenn sie sehr müde oder beispielsweise nach dem Stillen sehr entspannt sind. Wenn ein Schielen, vor allem einwärts in Richtung der Nase, nur in diesen Situationen auffällt, das Baby aber sonst gut beidäugig fixiert und dem Blick folgt, dann ist das wahrscheinlich in den ersten Lebensmonaten altersbedingt normal. Bei Babys mit speziellen Risiken, also Schielen in der Familie, Frühgeburtlichkeit oder Entwicklungsauffälligkeiten sollte man aber jedes Schielen ernst nehmen und abklären lassen. Manchmal sieht man auf Fotos mit Blitzlichtreflex in den Pupillen, ob der Reflex symmetrisch ist oder bei beiden Auge an unterschiedlichen Stellen auftritt. Ist dies der Fall, sollte man den Arzt darauf ansprechen.
Was passiert, wenn «echtes» Schielen nicht erkannt wird?
Wenn ein Kind schielt, entstehen im Gehirn zwei unterschiedliche Bilder, die nicht zueinander passen und nicht zu einem Bild zusammengesetzt werden können. Das Gehirn behilft sich, indem es einfach ein Bild ausschaltet und nur noch das Bild des gerade sehenden Auges verwendet. Wenn das schielende Auge dann nicht mehr benutzt wird, wird seine Sehkraft immer schlechter. Zu Beginn kann man Abhilfe schaffen, indem man das schielende Auge trainiert. Macht man das nicht oder zu spät, bleibt die Sehkraft für immer eingeschränkt. Da beidäugiges Sehen auch für das räumliche Sehen und das Abschätzen von Distanzen benötigt wird, gibt es Berufe, die man nicht ergreifen kann, wenn man kein gutes beidäugiges Sehen hat, beispielsweise Pilot, Polizist oder Chirurg. Neben dem Schielen, das sofort auffällt, gibt es auch ganz leichtes, sogenanntes Mikroschielen. Um dieses nicht zu verpassen, werden beim Kinderarzt oder auch später bei Schularztuntersuchungen Tests zum beidäugigen Sehen gemacht.
Was ist die beste Therapie?
Das Wichtigste ist, die Sehkraft des schielenden Auges zu trainieren, damit diese möglichst erhalten bleibt. Ein Teil der Behandlung besteht in einer spezifischen Brillenkorrektur. Der andere darin, das schielende Auge zu trainieren, indem man das gesunde Auge abklebt oder sein Sehen mit speziellen Augentropfen vorübergehend erschwert. Dann muss das schielende Auge benutzt werden und kann so seine Sehkraft erhalten oder sogar zurückgewinnen. Diese Behandlung kann Jahre dauern – so lange, bis sich die Sehschärfe des schwächeren Auges ausreichend verbessert hat. Der bleibende Schielwinkel lässt sich danach in der Regel operativ korrigieren. Dabei werden die Muskeln, die einen zu starken oder zu schwachen Zug auf den Augapfel ausüben, verkürzt beziehungsweise versetzt, um das schielende Auge gerade zu stellen, damit wieder eine normale Sehachse erreicht werden kann.
Soll ich zum Kinderarzt oder zum Augenarzt gehen?
Von Anfang an gehört die Beurteilung der Augen, der Sehachse und des Fixierens zu jeder Vorsorgeuntersuchung bei der Kinderärztin. Dazu braucht es anfangs keine spezielle Untersuchung, sondern die Beobachtung des geübten Kinderarztes. Ungefähr ab sechs bis zwölf Monaten kommen dann auch Tests zum räumlichen Sehen bei der Vorsorgeuntersuchung zum Einsatz. Mit dem sogenannte Lang-Stereo-Test, einer Entwicklung des Zürcher Augenarztes Joseph Lang, kann der Kinderarzt spielerisch untersuchen, ob ein Kind räumlich sehen kann. Ergibt der Test kein eindeutiges Ergebnis oder zeigt ein Kind nach sechs Monaten immer noch eine Schielstellung der Augen, ist eine augenärztliche Abklärung sinnvoll.
Auf Anraten von santé24 wird Selina Simmen ihre Kinderärztin auf ihre Beobachtungen ansprechen. Da es in der Familie Kinder mit Schielproblemen gibt, ist dies sinnvoll. Bei den kinderärztlichen Vorsorgeuntersuchungen mit einem und mit zwei Monaten gab es keine Auffälligkeiten, den Termin für die vorgesehene Untersuchung mit vier Monaten hat Selina Simmen bereits. Bis dahin kann sie noch abwarten und ihre Tochter und deren Entwicklung gut beobachten.
Dr. med. Silke Schmitt Oggier ist die Medizinische Leiterin von santé24 und selber Fachärztin für Kinder und Jugendliche. Die telemedizinische Beratung ist eine zentrale Dienstleistung von santé24, die den SWICA-Versicherten bei allen Fragen rund um die Gesundheit unter der Nummer 044 404 86 86 kostenlos zur Verfügung steht. Eine Praxisbewilligung für Telemedizin ermöglicht es den Ärzten von santé24 zudem, bei telemedizinisch geeigneten Krankheitsbildern weiterführende ärztliche Leistungen zu erbringen. Mit der medizinischen App BENECURA können SWICA-Versicherte ausserdem bei Krankheitssymptomen einen digitalen SymptomCheck machen und erhalten Empfehlungen fürs weitere Vorgehen. Bei einem anschliessenden Telefonat mit santé24 entscheidet der Kunde im Einzelfall selber, ob er die im SymptomCheck gemachten Angaben santé24 freigeben möchte.
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