«Überall liest man, dass die Kinderspitäler wegen diesem sogenannten RSV-Virus voll seien und Kinder sogar in Spitäler andere Kantone geflogen werden müssten. Das beunruhigt mich sehr. Mein kleiner Sohn Noah ist acht Monate alt. Ich will mir gar nicht vorstellen, wenn er so krank würde und dann auch noch weggeflogen werden müsste. Was macht dieses Virus und wie kann ich mein Kind davor schützen? Eine Impfung gibt es ja anscheinend nicht?» sprudelt es aus Andrea Etter heraus, als die Gesundheitsberaterin von santé24 das Telefon abnimmt.
Was ist RSV für ein Erreger und wann kommt RSV normalerweis in der Schweiz vor?
RSV ist die Abkürzung für Atemwegsvirus Respiratory Syncytial Virus. Es verbreitet sich über Tröpfchen beispielsweise beim Husten oder bei laufender Nase. Eintrittspforten sind Schleimhäute von Mund und Nase und die Bindehaut der Augen. Das Virus verbreitet sich in der Schweiz meist in den Wintermonaten und weist jedes zweite Jahr eine besonders starke Welle auf. In Corona-Zeiten mit Masken und «social distancing» gab es praktisch keine RSV-Welle, weil die Menschen recht gut vor Ansteckungen geschützt waren. Als die Massnahmen gelockert wurden, trat diesen Frühsommer schon einmal eine unerwartete RSV-Welle auf. Die jetzige erneute Welle so kurz danach erstaunt deshalb und ist auch im Vergleich zu früheren Jahren sehr heftig.
Welche Kinder sind besonders anfällig auf RSV?
Bis zum Alter von vier Jahren infizieren sich praktisch alle Kinder mindestens einmal. Da es die Atemwege befällt, sind Kinder mit vorbestehenden Atemwegserkrankungen oder Atemwegsanomalien, solche mit Immunschwäche oder immunsupprimierender Therapie und Frühgeborene besonders ansteckungsgefährdet. Auch Erwachsene können sich anstecken. Je grösser allerdings die Atemwege mit dem Wachstum werden, desto ungefährlicher ist eine Ansteckung in der Regel.
Welche Symptome löst RSV aus?
Die Erkrankung nach einer RSV-Ansteckung beginnt wie eine gewöhnliche Erkältung mit Schnupfen, evtl. Bindehautentzündung, etwas Fieber und Husten. Bei ganz kleinen Säuglingen kann der Husten sogar fehlen. Im weiteren Verlauf mit einem Erkrankungsgipfel nach drei bis fünf Tagen werden die Symptome der Bronchitis, also der Entzündung der oberen Lungenanteile, oder der Bronchiolitis, das sind die kleinen Bläschen am Ende jedes Lungenbaumes, die für den Sauerstoffaustausch ganz wichtig sind, krankheitsbestimmend. Atmung und Sauerstoffaustausch können dadurch sehr stark in Mitleidenschaft gezogen sein bis hin zu einem lebensbedrohlichen Zustand.
Wieso müssen so viele Kinder ins Spital oder was ist an RSV so gefährlich?
Je kleiner das Kind ist, desto kleiner sind seine Atemwege. Wenn dann eine Entzündung den Sauerstoffaustausch erschwert, kann es dies eine gewisse Zeit durch schnelleres Atmen kompensieren. Diese Atemarbeit ist aber sehr anstrengend und auch ineffizient, was zu Erschöpfung führt. Bei Säuglingen, vor allem in den ersten sechs bis zwölf Monaten kann dies sehr schnell gehen, da ihre Kraft sehr plötzlich nachlässt. Ausserdem sind sie so mit dem Atmen beschäftigt, dass sie auch nicht mehr trinken können und oftmals zusätzlich in einen Dehydrierungszustand kommen. Im Spital lässt sich der Sauerstoffgehalt im Blut überwachen und bei Bedarf kann zusätzlicher Sauerstoff über eine Nasensonde zugeführt werden. Flüssigkeit kann per Magensonde oder via Infusion verabreicht werden bis die Symptome abklingen. Falls als Komplikation eine Mittelohrenentzündung auftritt, kann man auch diese professionell behandeln. Für Risikokinder stehen zudem spezielle Medikamente zur Verfügung.
Auf was muss man besonders achten, wenn ein kleines Kind an RSV erkrankt sein könnte?
Bei einem Säugling mit Husten und/oder Schnupfen ist es ganz wichtig, dass die Atemwege möglichst frei sind, vor allem wenn das Kind trinken oder schlafen soll. Am besten spült man die Nase ab und zu mit Muttermilch oder einer Salzwasserlösung. Bei Fieber hilft auch ein Fieberzäpfchen, da der Sauerstoffverbrauch bei normaler Körpertemperatur niedriger und das Herz-Kreislaufsystem weniger belastet ist. Wenn man bemerkt, dass ein Säugling auffallend schnell atmet, sich vor lauter Atmen für nichts mehr interessiert und auch nicht mehr trinken mag, sollte man einen Kinderarzt oder eine Notfallstation kontaktieren. Bei vermuteten Atemaussetzern oder fahl-grauer statt rosiger Hautfarbe sollte das Kind schnell, wenn nötig mit dem Krankenwagen ins Spital gebracht werden.
Andrea Etter ist nach dem Telefonat zwar nicht komplett beruhigt, zumindest weiss sie aber, auf was sie achten müsste, falls sich ihr Sohn Noah anstecken würde. Sie wird versuchen, ihn so gut es geht von hustenden und schniefenden Personen fernzuhalten. Sich selber schützt sie beim Einkaufen oder in den öffentlichen Verkehrsmitteln mit einer Maske. Eine Impfung gegen das RS-Virus im Säuglingsalter könnte schon ab 2024 in Europa verfügbar sein. Andrea Etter will diese entweder bei ihrem Sohn noch vornehmen lassen oder dann zumindest bei ihren künftigen Kindern, da ihre Familienplanung noch nicht abgeschlossen ist.
Dr. med. Silke Schmitt Oggier ist die Chefärztin von santé24 und selber Fachärztin für Kinder und Jugendliche. Die telemedizinische Beratung ist eine zentrale Dienstleistung von santé24, die den SWICA-Versicherten bei allen Fragen rund um die Gesundheit unter der Nummer 044 404 86 86 kostenlos zur Verfügung steht. Eine Praxisbewilligung für Telemedizin ermöglicht es den Ärzten von santé24 zudem, bei telemedizinisch geeigneten Krankheitsbildern weiterführende ärztliche Leistungen zu erbringen. Mit der medizinischen App BENECURA können SWICA-Versicherte ausserdem bei Krankheitssymptomen einen digitalen SymptomCheck machen und erhalten Empfehlungen fürs weitere Vorgehen. Bei einem anschliessenden Telefonat mit santé24 entscheidet der Kunde im Einzelfall selber, ob er die im SymptomCheck gemachten Angaben santé24 freigeben möchte.
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