Was sie bedeutet, wie sie sich zeigt und wie Sie achtsamer damit umgehen können.
„Denk doch einfach positiv!“ – „Kopf hoch, alles wird gut!“ – „Andere haben es noch viel schlimmer!“ Solche Sätze sind gut gemeint. Doch manchmal lösen sie das Gegenteil von Trost aus. Wenn nur noch Platz für das Positive ist, verdrängen wir echte Gefühle wie Traurigkeit, Wut oder Angst. In solchen Momenten sprechen wir von toxischer Positivität.
Was ist toxische Positivität?
Der Begriff beschreibt eine Haltung, bei der ausschliesslich positive Gedanken und Gefühle erlaubt sind – unabhängig von der Realität oder der tatsächlichen emotionalen Situation. Negative Emotionen werden als „schlecht“, „unnötig“ oder „unangemessen“ abgewertet oder ignoriert.
Toxische Positivität kann in der Gesellschaft, im Familienumfeld, in sozialen Medien oder im eigenen Inneren auftreten – wenn wir uns selbst nicht erlauben, traurig oder wütend zu sein.
Wie zeigt sich toxische Positivität im Alltag?
Einige typische Beispiele:
- Gefühle werden kleingeredet: „So schlimm ist das doch gar nicht!“
- Vergleiche werden genutzt, um zu relativieren: „Sei froh, dass du überhaupt einen Job hast!“
- Traurigkeit wird vermieden: „Reiss dich zusammen, lächle einfach!“
- In sozialen Medien: Menschen zeigen nur glückliche Momente, nie Schwächen oder Krisen.
Auch Kinder können betroffen sein, wenn ihnen immer wieder signalisiert wird: „Du musst fröhlich sein!“ oder „Hör auf zu weinen!“ – dabei brauchen sie Raum, um alle Gefühle auszudrücken.
Warum kann das schädlich sein?
Obwohl positive Gedanken grundsätzlich hilfreich sein können, wird toxische Positivität problematisch, wenn sie echte Gefühle unterdrückt oder Menschen das Gefühl gibt, mit ihren Sorgen allein zu sein. Mögliche Folgen sind:
-Innerer Druck, sich ständig „gut“ fühlen zu müssen
- Gefühl von Unzulänglichkeit oder Scham bei negativen Emotionen
-Oberflächliche Beziehungen ohne echten Austausch
- Verdrängung von Stress oder psychischer Belastung
Wie gelingt ein gesunder Umgang mit Gefühlen?
1. Gefühle zulassen: Es ist vollkommen in Ordnung, traurig, wütend, enttäuscht oder erschöpft zu sein. Diese Gefühle gehören zum Menschsein – genauso wie Freude und Hoffnung.
2. Mitgefühl statt Beschwichtigung: Statt sofort aufzumuntern, hilft oft ein einfaches: „Das klingt schwer – magst du darüber sprechen?“ oder „Ich bin für dich da.“
3. Vorbild sein – auch für Kinder: Indem Sie Ihre eigenen Emotionen ehrlich benennen, lernen Kinder, dass auch schwierige Gefühle Platz haben dürfen – und dass es in Ordnung ist, über sie zu sprechen.
4. Positivität mit Echtheit verbinden: Zuversicht darf sein – aber ehrlich. Ein Satz wie „Ich weiss, das ist gerade nicht einfach, aber wir finden einen Weg“ zeigt Mitgefühl und Mut zugleich.
Fazit:
Echte Stärke zeigt sich nicht darin, ständig fröhlich zu sein, sondern darin, ehrlich mit Gefühlen umzugehen – mit den hellen und den dunklen. Toxische Positivität meint es gut, bewirkt aber oft das Gegenteil. Achtsames Zuhören, Mitgefühl und emotionale Offenheit stärken das Miteinander – in der Familie, im Freundeskreis und mit sich selbst.
Erlauben Sie sich und anderen, alles zu fühlen – denn jedes Gefühl hat seine Berechtigung.
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