Dr. Silke Schmitt Oggier - Med.Leiterin sante24
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5 Fragen an Dr. Silke Schmitt Oggier - Wieso Babys neu gegen Wilde Blattern impfen?

Am Telefon der santé24-Kinder-Impfsprechstunde schildert Venessa Adams ihre Verwirrung: «Wir waren vor ein paar Tagen mit unserem Jüngsten bei der Sechsmonats-Kontrolle beim Kinderarzt. Dabei haben wir auch die nächsten empfohlenen Termine und Impfungen angesprochen. Da wir zwei bereits ältere Kinder (zwei und vier Jahre) haben, ist mir das eigentlich alles bekannt. Umso mehr habe ich gestaunt, als mir gesagt wurde, dass wir neu alle Kinder gegen Wilde Blattern (Varizellen, Windpocken) impfen lassen sollten, obwohl davon vorher nie die Sprache war. Leider habe ich beim Kinderarzt nicht genauer nachgefragt, da er im Schuss war. Können Sie mir das bitte erklären oder habe ich etwas falsch verstanden? »


Die santé24-Kinder-Impfexpertin versteht die Fragen der jungen Mutter gut und nimmt sich Zeit, die neuen Empfehlungen und deren Hintergründe zu erklären.

Was hat sich an den Impfempfehlungen geändert?

Die eidgenössische Impfkommission (EKIF) und das Bundesamt für Gesundheit (BAG) haben die Empfehlungen zur Impfung gegen Wilde Blattern (Varizellen, Windpocken) überprüft und seit Anfang des Jahrs 2023 mit dem Ziel angepasst, alle Säuglinge und noch nicht infizierte Kinder, Jugendliche und Erwachsene bis zum Alter von 39 Jahren einerseits vor Wilden Blattern, andererseits zusätzlich auch vor einer später im Leben auftretenden Gürtelrose (Herpes Zoster) zu schützen. Deshalb wird die Impfung gegen Wilde Blattern ab sofort nicht erst wie bisher im Jugendalter empfohlen (für alle, die bis dahin keine Wilden Blattern durchgemacht haben), sondern sie gehört neu zu den Basisimpfungen für alle Säuglinge im Alter von neun und zwölf Monaten (Zwei-Dosen-Impfschema). Die Impfung soll vorzugsweise mit einem kombinierten Impfstoff zusammen gegen Masern, Mumps, Röteln und Wilde Blattern erfolgen (MMRV), um einen zusätzlichen Impfpieks und Impftermin zu vermeiden.

Was genau sind Wilde Blattern und sind die gefährlich?

Wilde Blattern, Windpocken oder medizinisch Varizellen sind eine hochansteckende Viruserkrankung, mit der man sich ähnlich wie beim Covid-Virus über Aerosole, also kleinste Luftpartikelchen, ansteckt. Neben den typischen, stark juckenden bläschenförmigen Hauterscheinungen in unterschiedlichen Eruptions-und Heilungsstadien (Sternenhimmel), haben die Kinder meist hohes Fieber. Sind die Bläschen auch auf der Schleimhaut, beispielsweise im Mund vorhanden, ist Vorsicht geboten. Denn dann können Essen und Trinken stark schmerzen, so dass betroffene Kinder beides vermeiden. Bei Kindern sind die Wilden Blattern insgesamt eine durchaus unangenehme, letztendlich aber meist harmlose Erkrankung, die in der Regel bis zur Abheilung der Bläschen bzw. bis zur Ansteckungsfreiheit eine gute Woche bis zehn Tage dauert. Werden die Bläschen aufgekratzt, bleiben oft unschöne Narben zurück. Im Erwachsenenalter ist das Komplikationsrisiko der Varizellen-Erkrankung viel höher als im Kindesalter. Dies gilt besonders auch für schwangere Frauen, die sich in der Schwangerschaft nicht dagegen impfen lassen dürfen, aber auch für Neugeborene und für Personen mit einem stark geschwächten Immunsystem oder während einer Krebstherapie.

Weshalb die plötzliche Änderung der Impfempfehlungen?

Hauptgrund ist die neue Verfügbarkeit von sicheren und wirksamen Masern-Mumps-Röteln-Varizellen Kombinationsimpfstoffen (MMRV). Es ist nun einfach, sich auch gegen eine Krankheit zu schützen, deren medizinische und soziale Belastung nicht unerheblich sein kann (Komplikationen, Beeinträchtigung, Krippen-/Schulausschluss, elterliche Absenzen). Zudem verringert die Impfung das spätere Risiko einer Gürtelrose. Schliesslich ist die möglichst flächendeckende Impfung von Säuglingen aufgrund der im Babyalter anstehenden Kombinationen aus Vorsorgeuntersuchungen und Impfterminen einfacher umsetzbar als bei Jugendlichen. Damit soll die Viruszirkulation in unserer Gesellschaft verringert werden. So werden auch Personen geschützt, die sich beispielsweise wegen einer Immunsuppression nicht impfen lassen können 

Wieso soll die Wilde Blattern-Impfung im Babyalter vor Gürtelrose im Alter schützen?

Die Gürtelrose ist keine neue Erkrankung oder Ansteckung, sondern eine Reaktivierung von in Nervenknoten schlummernden Wilde-Blattern-Viren einer früheren Infektion. Bei schlechter Abwehrlage des Körpers «erwachen» die schlummernden Viren und es entstehen meist entlang einer Hautspaltlinie auf einer Körperseite (eher Oberkörper oder Gesicht) wieder Bläschen. Diesmal aber eher schmerzhaft als juckend und ohne Fieber. Die Bläschen sind für Personen, die noch nie Wilde Blatten hatten, ansteckend. Startet man nicht unverzüglich mit einer Therapie, können auch nach der Ausheilung der Bläschen noch über Monate bis Jahre starke Schmerzen im der befallenen Körperregion auftreten und den Einsatz stärkster Schmerzmittel notwendig machen. Ohne primäre Ansteckung mit Wilde-Blattern-Viren kann somit auch keine Gürtelrose entstehen.

Was machen mit Kindern, die nicht geimpft wurden, weil damals die Impfempfehlung nur Jugendliche betraf, die keine Wilden Blattern durchgemacht hatten?

Eine Nachholimpfung (bestehend aus zwei Impfungen) gegen Wilde Blattern wird allen Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen im Alter zwischen 13 Monaten und vor dem 40. Altersjahr empfohlen, die noch nicht an Wilden Blattern erkrankt waren oder noch nicht beide Impfdosen erhalten haben. Der Abstand zwischen den Impfdosen sollte mindestens einen Monat betragen. Wenn die Impfung gegen Maser-Mumps und Röteln (MMR) auch noch fehlt, sollte nicht der Einzelimpfstoff, sondern der Kombinationsimpfstoff verwendet werden. Die Kosten der Basisimpfung gegen Varizellen von Säuglingen und die Nachholimpfung bis zum vollendeten 39. Lebensjahr wird durch die obligatorische Krankenpflegeversicherung übernommen. Schwangere dürfen nicht geimpft werden, auch nicht gegen Maser-Mumps und Röteln.

Vanessa Adams hat nun Klarheit über die neuen Empfehlungen und deren Überlegungen und Hintergründe aufgrund der Erklärungen in der santé24 Kinder-Impfsprechstunde und wird diese nun mit Ihrem Mann diskutieren, damit sie gemeinsam entscheiden können, ob und wann sie ihre drei Kinder gegen die Wilden Blattern impfen lassen möchten.

Dr. med. Silke Schmitt Oggier ist die Chefärztin von santé24 und selber Fachärztin für Kinder und Jugendliche. Die telemedizinische Beratung ist eine zentrale Dienstleistung von santé24, die den SWICA-Versicherten bei allen Fragen rund um die Gesundheit unter der Nummer 044 404 86 86 kostenlos zur Verfügung steht. Eine Praxisbewilligung für Telemedizin ermöglicht es den Ärzten von santé24 zudem, bei telemedizinisch geeigneten Krankheitsbildern weiterführende ärztliche Leistungen zu erbringen. Mit der medizinischen App BENECURA können SWICA-Versicherte ausserdem bei Krankheitssymptomen einen digitalen SymptomCheck machen und erhalten Empfehlungen fürs weitere Vorgehen. Bei einem anschliessenden Telefonat mit santé24 entscheidet der Kunde im Einzelfall selber, ob er die im SymptomCheck gemachten Angaben santé24 freigeben möchte.

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